Ein Jahr nach der Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge reist Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Sonntag an die griechisch-mazedonische Grenze. Gemeinsam mit seinem mazedonischen Amtskollegen Nikola Poposki besucht Kurz, der derzeit auch OSZE-Vorsitzender ist, den Grenzübergang Gevgelija. Geplant ist auch ein Treffen mit 20 österreichischen Polizisten, die an der Grenze im Einsatz sind.
Schauplatz dramatischer Szenen
Der Grenzübergang Gevgelija, der gegenüber der griechischen Ortschaft Idomeni liegt, wurde im vergangene Februar Schauplatz dramatischer Szenen. Nachdem seit September 2015 Hunderttausende Flüchtlinge über Griechenland nach Mazedonien und weiter über den Westbalkan nach Österreich und Deutschland gezogen waren, schloss Mazedonien in einer von Österreich maßgeblich vorangetriebenen gemeinsamen Aktion der Westbalkanstaaten seine Grenze. Daraufhin strandeten tausende Migranten in Griechenland. Mehrmals versuchten verzweifelte Migranten in den folgenden Wochen den Grenzzaun zu stürmen oder den Grenzfluss zu durchqueren.
Die zuvor auf einer Konferenz in Wien beschlossene Schließung der Balkanroute sorgte für internationale Kritik, auch weil das am meisten davon betroffene Griechenland nicht zu der Konferenz eingeladen war. Außenminister Kurz betrachtet den Schritt als großen Erfolg, weil sich die Zahl der in Österreich und Deutschland ankommenden Flüchtlinge - auch wegen des EU-Türkei-Pakts - in den folgenden Wochen drastisch reduziert hat. Das Außenministerium spricht von einem Rückgang der Anlandungen in Griechenland um 98 Prozent während der letzten vier Monate des Jahres 2016 gegenüber dem Vorjahr. Während im Jänner 2016 noch 67.000 Flüchtlinge in Griechenland ankamen, waren es im Jänner dieses Jahres nur mehr 1.400.
Hilfsorganisationen kritisierten, dass sich der Flüchtlingsstrom nun wieder auf die weitaus gefährlichere Mittelmeerroute verlagert hat. In Italien sind im Jahr 2016 mehr als 180.000 Migranten von Libyen aus über das Meer angekommen. Tausende Menschen verloren bei der gefährlichen Überfahrt in oft seeuntauglichen Booten ihr Leben.
Auch in den Westbalkanländern ist das Flüchtlingsproblem nicht gelöst. Immer noch kommen Migranten in Griechenland an. Das Land und die Länder des Westbalkan sind für viele Flüchtlinge zur Sackgasse geworden. In Griechenland warten Zehntausende Menschen, in Serbien rund 7.000 Menschen unter äußerst schwierigen humanitären Bedingungen und hoffen auf eine Weiterreise Richtung EU. Dabei sind sie auf kriminelle Schlepper angewiesen.