WAS IST BISHER VOR DEN GERICHTEN GESCHEHEN?
Trumps Dekret vom 27. Jänner sieht temporäre pauschale Einreiseverbote vor. Die Bürger der sieben mehrheitlich muslimischen Länder Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien dürfen demnach 90 Tage lang nicht ins Land. Für Flüchtlinge aus aller Welt soll ein 120-tägiger, für syrische Flüchtlinge sogar ein unbefristeter Einreisestopp gelten.
Unverzüglich gingen mehrere Klagen gegen das Dekret ein, von denen einige bereits erfolgreich waren. Am weitesten reichend war bisher die Entscheidung von Bundesrichter James Robart in Seattle, der am vergangenen Freitag das Dekret in einer einstweiligen Verfügung komplett und landesweit aufhob.
Die US-Bundesgerichte sind in drei Ebenen untergliedert. Robart ist auf der untersten Ebene angesiedelt, er amtiert an einem von 94 Bezirksgerichten. Auf der mittleren Ebene rangieren 13 über das Land verteilte Berufungsgerichte, die oberste Ebene stellt der Supreme Court in der Hauptstadt Washington dar.
Die Auseinandersetzung ist nun auf der mittleren Ebene angekommen, nachdem das Justizministerium gegen Robarts Beschluss in die Berufung ging. Das zuständige Bundesberufungsgericht in San Francisco wies als ersten Schritt das Ansinnen des Ministeriums zurück, das Dekret sofort wieder in Kraft zu setzen. Es hörte dann am Dienstag per Telefon die Streitparteien an. Seine Entscheidung will das Gericht noch diese Woche verkünden.
WELCHE ARGUMENTE HAT TRUMP AUF SEINER SEITE?
Das US-Justizministerium führt an, dass die Einreiserestriktionen erforderlich seien, um das Land vor potenziellen Terroranschlägen zu schützen. Es bezeichnet Robarts Verfügung als ungebührlichen Eingriff in die entsprechenden Vollmachten des Präsidenten.
Tatsächlich stattet ein Einwanderungsgesetz aus dem Jahr 1952 den Präsidenten mit einem weitreichenden Handlungsspielraum in der Einreisepolitik aus. Er dürfe, wenn er die Einreise ausländischer Staatsbürger als "schädlich für die Interessen der Vereinigten Staaten" erachte, nach eigenem Ermessen Restriktionen verhängen.
WELCHE ARGUMENTE HABEN DIE DEKRET-GEGNER AUF IHRER SEITE?
Den Vollmachten des Präsidenten in der Einwanderungspolitik werden durch diverse Passagen der US-Verfassung ihre Grenzen gesetzt. Dies sind etwa das Verbot der religiösen Diskriminierung sowie jene Klauseln, die den Bürgern einen Schutz vor willkürlichen Entscheidungen der Exekutive garantieren.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Staates Washington, die mit ihrer Klage die temporäre Suspendierung des Dekrets erwirkte, argumentierte unter anderem mit dem Verfassungsverbot der Bevorzugung einer Religion gegenüber anderen. Die Kläger verwiesen auf Regierungspläne, zu einem späteren Zeitpunkt christliche Flüchtlinge aufzunehmen.
WIE GEHT ES WEITER?
Die vor dem Berufungsgericht unterlegene Partei wird höchstwahrscheinlich den Supreme Court anrufen. Wie viel Zeit sich das Oberste Gericht dann nehmen wird, ist ungewiss.
Die seit einem Jahr bestehende Vakanz einer Richterstelle am Supreme Court macht den weiteren Verlauf noch unkalkulierbarer. Der von Trump nominierte konservative Richter Neil Gorsuch muss erst ein Nominierungsverfahren im Senat durchlaufen. Vorerst herrscht deshalb weiter ein Patt von vier konservativen und vier linksliberalen Richtern am Obersten Gericht.
Sollte das Berufungsgericht den Stopp von Trumps Dekret bestätigen, läge eine schnelle Entscheidung des Supreme Court folglich nicht unbedingt im Sinne der Regierung. Denn sollte es bei der Abstimmung über sein Dekret ein Unentschieden im Richterkollegium geben, bliebe die Entscheidung der unteren Instanz bestehen.
So erging es übrigens im vergangenen Jahr dem damaligen Präsidenten Barack Obama mit seiner Lockerung des Einwanderungsrechts. Seine Reform scheiterte, weil es ein Patt am Supreme Court gab - der von einem Bundesrichter in Texas beschlossene Stopp der Reform blieb damit bestehen.