Die rumänische Regierung lenkt im Streit um die Lockerung der Anti-Korruptions-Regeln ein. Das umstrittene Dekret werde bei einer Sondersitzung der Regierung am Sonntag aufgehoben, kündigte Ministerpräsident Sorin Grindeanu am Samstagabend im Bukarester Regierungsgebäude an. Zuvor hatten Hunderttausende Rumänen schon den fünften Tag in Folge gegen das Dekret protestiert.
"Ich möchte und wünsche nicht, dass wir Rumänien spalten", sagte der sozialdemokratische Politiker nach Angaben der Nachrichtenagentur Agerpres. "Es hat sich ein Spalt in der Gesellschaft aufgetan", fügte er in Anspielung auf die Massenproteste gegen seine Regierung hinzu. Wenige Stunden davor hatte der sozialdemokratische Parteichef Liviu Dragnea erstmals eine Rücknahme der umstrittenen Maßnahme angedeutet. Dragnea war der prominenteste Nutznießer der Regelung, die unter anderem eine Amnestie von Straftätern mit Haftstrafen von unter fünf Jahren vorsah.
Proteste am Samstag
In der rumänischen Hauptstadt Bukarest haben sich am Samstag erneut zahlreiche Demonstranten zum Protest gegen die Regierung eingefunden. Mehrere zehntausend Rumänen versammelten sich vor dem Sitz der Regierung in der Hauptstadt, um ihrem Unmut über die Lockerung der Anti-Korruptionsregeln Luft zu machen.
Die Menschenmenge zog zum Sitz des Parlaments und machte mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas in den Nationalfarben lautstark auf sich aufmerksam. Unter den Protestierenden waren viele Familien, Kinder hielten rumänische und europäische Flaggen in den Händen. Später sollte eine Menschenkette gebildet werden. Schon am Freitagabend hatten landesweit etwa 250.000 Menschen demonstriert, in der Hauptstadt Bukarest versammelten sich etwa 100.000 Demonstranten.
Fünfter Tag der Proteste
Die Demonstrationen, die am Samstag bereits den fünften Tag andauerten, sind die größten Proteste seit dem Sturz des kommunistischen Machthabers Nicolae Ceausescu vor 25 Jahren.
Die Mitte-Links-Regierung hatte am Dienstag per Dekret mehrere Vergehen für straffrei erklärt. Amtsmissbrauch wird zudem nur noch mit Gefängnis bestraft, wenn der Streitwert über 44.000 Euro liegt. Darüber hinaus plant die Regierung eine Amnestie von Straftätern, die zu weniger als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Von diesen Maßnahmen würden zahlreiche Politiker profitieren, darunter der wegen Wahlbetrugs von öffentlichen Ämtern ausgeschlossene starke Mann der regierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea.
Erstes Einlenken
Dragnea sprach am Samstag erstmals öffentlich davon, die heftig kritisierte Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes zurückzunehmen. Dragnea sagte dem rumänischen Nachrichtenportal DC News, er habe die Absicht, eine Lösung vorzuschlagen und hoffe, dass sein Parteifreund von der PSD, Ministerpräsident Sorin Grindeanu, sie annehmen werde.
Der Chef der Sozialdemokraten erklärte, die Politik in Bukarest könne möglicherweise dem Druck regionaler Organisationen nicht mehr standhalten, die eine Million Menschen zu Protesten in die Hauptstadt schicken könnten.
Staatspräsident Klaus Iohannis (Johannis) hat ebenso wie die Justizaufsichtsbehörde CSM beim Verfassungsgericht gegen den Erlass geklagt. Am Freitag wechselte auch Volksanwalt Victor Ciorbea die Seiten und schloss sich der Klage an.
Der rumänische Politologe Cristian Parvulescu äußerte die Einschätzung, dass "keine Regierung solchen Demonstrationen standhalten" könne. Die rumänische Führung habe ihre "Legitimität verloren". Die Rumänen hätten ihrerseits verstanden, dass sie sich "rasch mobilisieren müssen, um die Demokratie zu verteidigen".
Präsident Iohannis sagte am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Valletta, er sei "sehr besorgt", aber auch optimistisch, dass es zu einer Lösung dieser Krise kommen werde, auch mit Unterstützung der Demonstranten. "Ich vertraue meinen Rumänen", betonte er.