Kellyanne Conway versetzt die Welt in Erstaunen. Als erste Frau, die erfolgreich eine US-Präsidentschaftskampagne gemanagt hat, ist die Beraterin von Donald Trump bereits zu Ruhm gelangt. Dann hat sie einen Spruch geprägt, der sich in Windeseile um den Globus verbreitete - sie ist die Erfinderin der "alternativen Fakten".
Und jetzt hat die 50-jährige entsprechend dieser Losung auch noch einen Terroranschlag erfunden: "Das Bowling-Green-Massaker". Zwei irakische Einwanderer stünden hinter diesem Terrorattentat im Bundesstaat Kentucky, behauptete Conway in einem Fernsehinterview, in dem sie wortreich die von Trump verhängten Einreiseverbote verteidigte. Dass die "alternativen Fakten" nichts anderes sind als Unwahrheiten war in diesem Fall besonders leicht nachzuweisen - schließlich hatte noch nie zuvor jemand irgendetwas vom "Bowling-Green-Massaker" mitbekommen. Aus einem simplen Grund: Das Attentat hat es nie gegeben.
Terrorpläne statt Massaker
Tatsache ist, dass zwei irakische Einwanderer, die in Bowling Green lebten, 2011 wegen terroristischer Aktivitäten verhaftet wurden. Sie hatten versucht, Waffen und Munition für die Terrororganisation Al-Kaida im Irak zu beschaffen. Anschläge in den USA hatten sie allerdings nicht geplant, geschweige denn begangen.
Ebenso "alternativ-faktisch" war Conways Behauptung, der damalige Präsident Barack Obama habe nach dem "Massaker" ein sechsmonatiges Einreiseverbot für alle irakischen Flüchtlinge verhängt. Tatsächlich hatte Obama nach der Festnahme der zwei Iraker lediglich die Überprüfungen von irakischen Flüchtlingen verschärft.
"Künstlicher Aufruhr"
Trotz der Kritik, die sich am Freitag von allen Seiten über sie ergoss, wirkte Conway nicht sonderlich reumütig. Den Aufruhr nannte sie "künstlich". Ihre Falschbehauptung versuchte sie im Kurzbotschaftendienst Twitter als simplen Versprecher abzutun: "Bowling-Green-Terroristen" habe sie gemeint - statt "Bowling-Green-Massaker".
Sich nie entschuldigen und stets auf die Kritiker zurückschlagen: Dies ist Trumps bewährte Strategie - und Conway setzt sie mit Verve um. Neben Pressesprecher Sean Spicer ist sie die Figur aus dem engeren Zirkel um Trump im Weißen Haus, die seit der Machtübernahme vor zwei Wochen am häufigsten in den Medien auftritt. Eloquent, schlagfertig und selbstbeherrscht stemmt sie sich der Welle der Trump-Kritik entgegen.
Vierfache Mutter
Den Aufstieg in den innersten Zirkel der Macht hat Conway ihrer entscheidenden Rolle im Wahlkampf zu verdanken. Die studierte Politologin und Juristin aus dem Ostküstenstaat New Jersey hatte 1995 eine Demoskopie-Firma gegründet, die von zahlreichen Republikanern engagiert wurde. In den Vorwahlen des vergangenen Jahres arbeitete die vierfache Mutter zunächst für den Senator Ted Cruz, um dann nach dessen Ausstieg ins Trump-Team zu wechseln.
Conway prägte die Kommunikationsstrategie des Quereinsteigers aus dem Big Business und warf sich auch schon damals in zahlreichen Medienauftritten für Trump in die Bresche. Als der Immobilienmogul etwa wegen seiner vormaligen Prahlereien mit sexuellen Übergriffen massiv unter Druck geriet, führte sie ihre persönlichen Erfahrungen als Frau mit Trump ins Feld: Sie sei oft mit ihm allein gewesen, und er habe sich "immer nur liebenswürdig und wie ein Gentleman" verhalten.
Euphorischer Dank Trumps
Für ihren maßgeblichen Anteil am Überraschungssieg des Republikaners erntete sie nicht nur den euphorischen Dank des neuen Präsidenten und den Topjob im Weißen Haus, sondern auch viel parteiübergreifenden Respekt. Allerdings ist sie inzwischen dabei, sich zu einer Inkarnation der schlimmsten Befürchtungen der Trump-Gegnerschaft zu entwickeln.
Die Verkünderin der "alternativen Fakten" erscheint vielen wie eine Figur aus George Orwells Roman "1984", in dem ein totalitärer Staat über ein "Wahrheitsministerium" systematisch die Unwahrheit verbreitet. Ungewollt hat Conway dem britischen Autor zu einem Revival verholfen: Der Klassiker von 1949 schnellte nun wieder an die Spitze der Bestsellerlisten.