Wer oder was kann Donald Trump eigentlich stoppen?
PETER FILZMAIER: Die Antwort ist eine einfache, verfassungsrechtliche: Er handelt mit Dekreten, sogenannten „executive orders“, das könnte man mit „Verordnungen“ übersetzen. Also nicht auf Gesetzesbasis. Es gibt zwei Grenzen dabei, die auch für ihn gelten. Zum einen: Der Kongress beschließt ein Gesetz , das das Gegenteil sagt. Das ist in manchen Dingen wenig wahrscheinlich, weil seine Partei in beiden Häusern die Mehrheit hat und die Republikaner an sich ja auch für strenge Einwanderungsbeschränkungen, Grenzkontrollen, wenig Umweltauflagen, etc. sind. Und selbst wenn: Das dauert seine Zeit.
Zum zweiten: Ein Gericht ist der Meinung, dass sein Handeln, seine Verordnungen einem bestehenden Gesetz oder der Verfassung widersprechen. wie eben jezt. Bis der „Supreme Court“, das Höchstgericht, entscheidet, kann es aber ebenfalls Jahre dauern.
Trump unterzeichnete gleich fünf Dekrete in seiner ersten Amtswoche. Ist das ungewöhnlich?
FILZMAIER: Man muss dazu sagen: Jeder Präsident, auch Obama, hat versucht, seinen Handlungsspielraum auszureizen, aber Trump überreizt das natürlich hemmungslos. Obama zum Beispiel hat auf diese Weise die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge von 60.000 auf 100.000 erhöht, und auch so manche Umweltregelungen durchgesetzt.
Ist der Weg über die Gerichte, wie er jetzt versucht wird, also der erfolgsträchtigere Weg?
FILZMAIER: Wie gesagt: Es dauert. Auch weil es passieren kann, dass unterschiedliche Gerichte unterschiedlich entscheiden und daraus zwischendurch erst recht eine chaotische Situation entsteht. Berufen wird natürlich auch. Unabhängig davon, welcher inhaltlichen Meinung man ist: Diese Unberechenbarkeit der größten Supermacht der Welt macht Angst!
Das amerikanische Rechtssystem ist kompliziert. Ist klar, wer für solche Verfahren überhaupt zuständig ist?
FILZMAIER: Es kommt auf Verordnung an, ob ein Bundesgericht zuständig ist oder ein einzelstaatliches Gericht. Es gibt allein 95 Bundesgerichte und 13 Bundesberufungsgerichte, darüber den Supreme Court. Der ist die höchste Instanz, quasi unsere drei Höchstgerichte in einem, da landet im Endeffekt alles, auch wenn darunter unterschiedlich entschieden wird, was durchaus vorkommt. Für manche Angelegenheiten sind mehrere Gerichte zuständig, und in anderen Dingen probiert es der Kläger bei einem anderen Gericht, wenn er bei dem einen nicht durchkommt. Urteile können sich, wie gesagt, widersprechen, aber der Supreme Court ist die letzte Instanz, sein Spruch gilt dann für alle.
Wie immun ist die US-Verfassung also gegen die Übernahme eines Diktators?
FILZMAIER: Die US-Verfassung ist ein Musterbeispiel, aber es gilt für jede: Egal wie gut und überlegt die Vefassung geschrieben ist, sie beruht auch auf einem verfassungspolitischen Grundkonsens. Sonst ist das politische System blockiert. Das Budget zum Beispiel beschließt der Kongress. Trump hat eine Vetomöglichkeit. Ihn könnte man nur mit Zweidrittel-Mehrheit überstimmen. Wenn das nicht zustande kommt, sind die USA handlungsunfähig. Man wollte das so, um die gegenseitigen Kontrolle zu gewährleisten. Aber wenn es einer darauf anlegt, dann wären durch die Nicht-Beschließung des Budgets alles blockiert. Nicht einmal Steuern könnte der Staat dann einheben. Bei uns ist das anders. Wir haben ein Provisorium, könnten pro Monat ein provisorisches Zwölftel ausgeben. In den USA gibt es das nicht, dort steht dann alles. „Diktator“ ist ein wildes Wort, aber wenn sich der Präsident nicht an den verfassungspolitischen Grundkonsens hält, keine Vernunft walten lässt, dann ist das Ergebnis Blockade oder völliges Chaos.
Man könnte ihn aber seines Amtes entheben?
FILZMAIER: Es gibt ein Amtsenthebungsverfahren, aber auch das hat seine Tücken. Bei uns gibt es das Misstrauensvotum gegen die Regierung aus inhaltlichen Gründen. Das Parlament kann den Kanzler mit Mehrheit abberufen, wenn die Abgeordneten nicht einverstanden sind mit seiner Politik. In den USA geht das nur im Fall von Landesverrat, Bestechlichkeit im Amt oder anderen schweren Verbrechen, und damit ist gemeint: Mord, Totschlag, Betrug. Die Abberufung des Präsidenten ist also viel schwieriger als jene eines Kanzlers bei uns.
Die Behörden müssen sich an Trumps Dekrete halten, aber auch an Recht und Gesetz. Was passiert, wenn sich das widerspricht?
FILZMAIER: In der US-Verfassung steht wörtlich: „Die Exekutivgewalt ist beim Präsidenten der USA.“ Es gibt nicht die Ressortverantwortung, wie bei uns, wo jeder für sein Ressort zuständig ist und ihm der Kanzler grundsätzlich nicht dreinreden darf. Die Minister können also nicht anders Wenn es wer probiert wie zuletzt die Justizministerin, kann der Präsident sie sofort entlassen. Für Ernennungen braucht er die Zustimmung des Senats, Entlassungen kann er jederzeit selbst vornehmen.