Die syrische Armee hat nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums fast die Hälfte von Ost-Aleppo zurückerobert. In den vergangenen 24 Stunden sei ihr ein Durchbruch im Kampf um die Stadt gelungen, erklärte das Ministerium in Moskau am Dienstag laut der Nachrichtenagentur Interfax.
Die syrischen Soldaten hätten die Lage radikal verändert. Der Ostteil der Stadt wird von Rebellen und Extremisten kontrolliert. Sein Fall könnte zu einem Wendepunkt im Syrien-Krieg werden.
16.000 neu auf der Flucht
Syriens Präsident Bashar al-Assad wird von Russland, Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz unterstützt. Seine Gegner sind eine heterogene Mischung aus Oppositionellen und Extremisten, die vom Westen und den konservativen arabischen Golfstaaten Hilfe erhalten. Zwischen den Fronten werden Zehntausende Zivilisten zerrieben. Sie sterben im Bombenhagel.
Medizinische Versorgung und Lebensmittel gibt es kaum noch. Wo sie können, versuchen Tausende, den Kämpfen zu entfliehen. Angesichts des Vorrückens der Regierungstruppen in Aleppos Rebellenviertel spitzt sich die humanitäre Lage in der nordsyrischen Stadt weiter zu: Nach der Niederlage der Rebellen in mehreren Stadtteilen von Ost-Aleppo seien bis zu 16.000 Menschen aus den Rebellengebieten geflohen, teilte der UN-Direktor für humanitäre Hilfe, Stephen O'Brien, mit.
Weder Essen noch Wasser
Der Sprecher der syrischen Hilfsorganisation Weißhelme, Ibrahim Abu Laith, sagte, es gebe im Osten Aleppos "weder Essen, noch Wasser, noch Obdach, noch Transportmittel".
Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault forderte angesichts der "humanitären Katastrophe" in der syrischen Stadt eine "sofortige" Sitzung des UN-Sicherheitsrats, um über Aleppo zu sprechen. "Mehr denn je" müsse für ein Ende der Kampfhandlungen und einen ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe gesorgt werden, erklärte Ayrault.
UN-Sprecher Dujarric hatte am Montag eindringlich alle Konfliktparteien in Aleppo aufgefordert, die "willkürlichen Bombardierungen einzustellen" und Zivilisten sowie die zivile Infrastruktur zu verschonen. Zugleich sei es dringend nötig, dass die Menschen in der Stadt mit Hilfslieferungen versorgt werden könnten.
"Entsetzliche Bedingungen"
Die letzten Nahrungsmittellieferungen des Welternährungsprogramms (WFP) seien seit Mitte November aufgebraucht und auch die Hilfen anderer Organisationen gingen allmählich zur Neige, warnte Dujarric. Die in Ost-Aleppo eingeschlossenen rund 275.000 Menschen lebten unter "entsetzlichen Bedingungen".
Die Hilfsorganisation World Vision Deutschland prangerte die Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft an: "Während die Welt zuschaut, geht das Sterben weiter", erklärte sie in Berlin.
Bürgerkrieg noch lange nicht zu Ende
Sollte das Regime Aleppo vollständig einnehmen, hätte Assad die Kontrolle über alle großen Städte zurückgewonnen. Den Rebellen bliebe neben kleineren Gebieten vor allem die ländliche Provinz Idlib im Nordwesten des Landes. Trotzdem dürfte der Krieg in Syrien noch lange weitergehen. Die Rebellen in Syrien wollen nicht aufgeben. Viele ziehen es vor, zu sterben. Die Rebellen in Idlib, unter denen radikale Gruppen sehr stark sind, können außerdem noch Nachschub aus der Türkei erhalten. Zudem kontrolliert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) noch immer große Gebiete in Syrien. Im Norden kämpfen auch noch von der Türkei unterstützte Rebellen gegen Kurden.