Lion Feuchtwanger flüchtete an die Cote d'Azur, Thomas Mann ging nach Kalifornien, Stefan Zweig landete in Brasilien - die Verfolgung durch die Nazis und das Exil zerstreute Künstler in alle Winde. "Es ist schwer zu ertragen", schrieb Mann über das Exil. Viele ertrugen die Entwurzelung und das Elend nicht. Stefan Zweig oder Kurt Tucholsky nahmen sich das Leben.
Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller ("Atemschaukel") hat nun die Debatte um ein Museum in Deutschland für das Exil wieder neu angefacht. Das Exil ab 1933 und die Vertreibung Hunderttausender ins Ausland sei eine "Leerstelle in der Museumslandschaft", sagte sie der "Berliner Morgenpost". Müller selbst weiß, was Exil bedeutet - sie ist in den 80er-Jahren aus ihrer rumänischen Heimat nach Deutschland geflohen.
Dauerhafte Gedenkstätte
Seit Jahren machen sich Schriftsteller und Intellektuelle stark für eine dauerhafte Gedenkstätte für Künstler im Exil. Ein solches in seiner Form in Deutschland einzigartiges Museum existiert im Prinzip bereits: das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen. Dort haben die private Sammlung Gerhard Schneider mit rund 3.000 Bildern einst verfemter Künstler sowie die Literatursammlung "Verbrannte Dichter" des Journalisten Jürgen Serke eine Heimat gefunden. Das Museum hat vielleicht nur einen Haken: Es liegt nicht in der Hauptstadt Berlin. "Was in Berlin nicht irgendwo sichtbar ist, ist unsichtbar", sagt Kurator Jürgen Kaumkötter.
Vor einem Jahr wurde das "Zentrum für verfolgte Künste" offiziell eröffnet. Mit Ausstellungen zu vergessenen Künstlern wie Oscar Zügel, aber auch zu George Grosz oder dem als Maler bisher kaum bekannten Dichter Joachim Ringelnatz machten sich die Solinger einen Namen. "Wir werden international beachtet", sagt Direktor Rolf Jessewitsch. Es gebe Anfragen aus Israel und den USA. Das Zentrum sei bundesweit - auch in Berlin - durch Kooperationen sichtbar. "Wir tragen das Thema nach draußen, weil nicht jeder nach Solingen kommt." Der britische "Guardian" zählte das Solinger Zentrum sogar zu den weltweit wichtigsten Museumsneugründungen.
Aktuell zeigt man das Werk der vergessenen jüdischen Künstlerin Käthe Loewenthal, die 1942 in einem NS-Konzentrationslager ermordet wurde. Ihr verstecktes Werk wurde bei einem Bombenangriff größtenteils zerstört. Nur eine Mappe mit etwa 240 Arbeiten wurde gerettet - Loewenthal übergab die Mappe kurz vor ihrer Deportation dem Sohn ihrer Zugehfrau. Rund die Hälfte der expressiven Landschaftsdarstellungen werden bis 8. Jänner in Solingen gezeigt, dazu die einzigen vier erhaltenen Ölgemälde.
"Das Talent ist unverkennbar", sagt Kurator Kaumkötter. Loewenthal hatte mit ihrem expressiven Strich und ihren großen vereinfachenden Linien eine künstlerische Eigenständigkeit. Im Kunstkanon kommt die vor 1933 anerkannte und später von den Nazis verfemte Künstlerin aber heute nicht mehr vor.
Der Kunsthistoriker Wulf Herzogenrath, ein Enkel von Loewenthals Schwester Agnes Schaefer, sagt, es gebe bei der Forschung über verfolgte Künstler noch sehr viel aufzuarbeiten. So wichtig die Provenienzforschung zum geraubten Besitz jüdischer Sammler sei, so wichtig sei auch die Forschung über heute vergessene jüdische Künstler.
Ein eigenständiges Exil-Museum hält Herzogenrath, der zur Führung der Akademie der Künste in Berlin gehört, für "unsinnig". Es sei zu teuer. "Man kann nicht für alles ein eigenes Museum haben", sagt er. Besser wäre es, das Thema Verfolgung und Exil etwa an ein bestehendes Museum, etwa das Deutsche Historische Museum in Berlin anzubinden.