Sexuelle Straftäter in der Türkei könnten einer Strafe entgehen, wenn sie ihr minderjähriges Opfer heiraten. Ein entsprechender Gesetzentwurf der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP sorgt für heftige Diskussionen.

Nach übereinstimmenden Medienberichten sieht der Entwurf vor, dass die Vollstreckung der Strafe verschoben werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet und der sexuelle Missbrauch vor dem 16. November 2016 stattgefunden hat. Dabei dürfe es bei dem sexuellen Missbrauch nicht zu "Gewalt" oder "Drohungen" gekommen sein oder gegen den Willen des Kindes gehandelt worden sein.

Damit wird auch eine Regelung vorweg genommen, wonach Sex mit Kindern unter 15 ab 13. Jänner 2017 nicht mehr unter Strafe steht. Kinder zwischen 12 und 15 Jahre seien in der Lage, die Bedeutung des sexuellen Aktes zu verstehen, das müsse strafrechtlich berücksichtigt werden. Der türkische Verfassungsgerichtshof hatte eine Bestimmung gekippt, die alle sexuellen Kontakte mit Kindern unter 15 Jahren als sexuellen Missbrauch eingestuft hatte.

"Amnestie für Straftäter"

Frauenrechtler kritisierten, der nun bekannt gewordene neue Gesetzesentwurf sei in sich widersprüchlich und bedeute praktisch eine Amnestie für Straftäter. Die Anwältin Arzu Aydogan sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Entwurf "öffne Missbrauch Tür und Tor". Außerdem könnten damit Kinderehen gerechtfertigt werden. Normalerweise seien in der Türkei Eheschließungen unter 18 Jahren verboten, unter dem Ausnahmezustand könne ein Gericht jedoch einer Ehe unter Partnern ab 16 Jahren zustimmen.

Ministerpräsident Binali Yildirim sagte laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu: "Es handelt sich nicht um eine Amnestie". Es gehe seiner Partei vielmehr um den Schutz der Familie. In der Türkei würden viele nicht legale Kinderehen geschlossen. Der Mann lande oft im Gefängnis. Mit dem Entwurf wolle man Abhilfe schaffen. Betroffen seien rund 3.000 "Familien".