Obwohl der Präsident in Bulgarien tatsächlich nur wenig politische Macht hat, sorgt die heutige Stichwahl für das höchste Staatsamt für Hochspannung im Land. Die Wahl könnte weitreichende Folgen haben, Premier Bojko Borissow hat das Schicksal seiner Regierung mit dem Abschneiden seiner Kandidatin Zezka Zatschewa verknüpft. Die Parlamentspräsidentin tritt gegen den Ex-General Rumen Radew an.

Überraschungssieg im ersten Wahlgang

Der betont russlandfreundliche Oppositionskandidat hatte die erste Runde der Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag überraschend gewonnen. Das Rennen zwischen der proeuropäischen konservativen Kandidatin und dem von den Sozialisten unterstützten parteilosen Radew ist offen. Letzte Umfragen favorisierten allerdings Radew- Beide Kandidaten kamen am 6. November gemeinsam auf weniger als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Die spannende Frage ist daher, wie sich die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten entscheiden werden.

Die Stimmung in der bürgerlichen Regierungspartei in Sofia nach dem ersten Wahlgang glich dem plötzlichen Erwachen aus einem Albtraum. Entgegen aller Erwartungen setzte sich der Luftwaffengeneral Radew durch - mehr noch - er tat es mit einem Vorsprung von mehr als drei Prozent und somit deutlicher, als in den schlimmsten Szenarien erwartet. Noch dazu gewann Radew die bulgarischen Großstädte, einschließlich der Hauptstadt Sofia, die seit der Wende als Hochburg der Konservativen galt.

Für die regierende Mitte-Rechts-Partei GERB war der Sieg Radews die erste Niederlage seit ihrer Gründung vor zehn Jahren. Politische Beobachter im Land machten dafür den siegessicheren Ministerpräsidenten Borissow verantwortlich, der die Parlamentspräsidentin Zatschewa erst fünf Wochen vor dem Wahltag als Kandidatin nominiert hatte. Hinzu kommen wohl die seit Monaten wachsenden Spannungen in der fragilen bürgerlichen Regierungskoalition.

Für Borissow wird der heutige Sonntag zum Entscheidungstag. Der siegessichere Premier hatte vor der Wahl damit gedroht, zurückzutreten und vorgezogene Parlamentswahlen anzusetzen, sollte seine Kandidatin im ersten Durchgang nicht gewinnen. Noch in der Wahlnacht ruderte er aber zurück: Erst müsse man den zweiten Wahlgang abwarten. Sollte Zatschewa die Stichwahl verlieren, werde er zurücktreten. Eigentlich läuft Borissows Mandat noch bis 2018.