Chinas Präsident Xi Jinping machte am US-Wahltag zwei wichtige Telefonanrufe: Er sprach mit den beiden chinesischen Astronauten im All, die für das Milliardenvolk den Aufstieg Chinas zur neuen Weltmacht symbolisieren. Und er gratulierte dem nächsten Mann im Weißen Haus, Donald Trump, der "Amerika wieder stark machen" will.
Xi äußerte seine Hoffnung auf eine Zusammenarbeit "mit Respekt und ohne Konfrontation" - wohlwissend, dass sein "chinesischer Traum" mit dem "amerikanischem Traum" des neuen US-Präsidenten kollidiert.
Auch wenn einige Beobachter auch Chancen für China ausmachen wollen, steuern die beiden größten Volkswirtschaften auf konfliktreiche Zeiten zu. "China sorgt sich am meisten wegen der Ungewissheit", sagt die Asien-Pazifik-Expertin Yu Yingli. "In Vergleich zu Hillary Clinton ist Trump unberechenbarer." Der bekannte Professor der Volksuniversität, Shi Yinhong, erwartet "sehr negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzen" - nicht nur für China, sondern für alle großen Volkswirtschaften in der Welt.
In Pekings Außenministerium gibt es hingegen noch die Hoffnung, dass die provokativen Worte des Präsidentschaftskandidaten gegen China doch wieder "nur ein Bluff" waren, und Trump auch im Oval Office doch wieder ganz der pragmatische "Geschäftsmann" sein wird. "Es hat Tradition, im US-Wahlkampf auf China einzuschlagen", sagt eine hohe Beamtin vertraulich. "Am Ende kommt es doch anders."
Im Wahlkampf beschuldigte Trump die Chinesen, amerikanische Jobs "zu stehlen" und die Währung "zu manipulieren". Er drohte mit hohen Zöllen auf Importe, was einen Handelskrieg auslösen könnte. China nimmt es selbstbewusst, denn es würde auch US-Firmen treffen. "China und die USA sind wirtschaftlich voneinander abhängig, deswegen können wirtschaftliche und politische Spannungen ein zweischneidiges Schwert sein", warnt die chinesische "Global Times". "China ist stark genug, um mit dem Sieg Trumps umzugehen", titelt das Blatt.
Ist aber der Handel gestört, fehlt ein wichtiges Bindeglied in den politischen Beziehungen. Chinas exportabhängige Wirtschaft dürfte auch unter den weltwirtschaftlichen Turbulenzen leiden, die Trumps "ökonomischer Nationalismus" auslösen könnte. Gerade jetzt, wo die globale Nachfrage und das Wachstum schwächeln, käme das ungelegen.
Erfreut dürften Chinas Führer wohl verfolgt haben, dass sich Trump bisher wenig an Menschenrechtsverletzungen in China störte. Auch bietet seine Wahl der kommunistischen Propaganda die Möglichkeit, genüsslich die Defizite westlicher Demokratien aufzuzeigen. Die größte Chance für Peking böte Trump aber, wenn er wirklich den strategischen "Schwenk" der USA unter seinem Vorgänger Barack Obama in die Asien-Pazifik-Region rückgängig machen würde.
Trumps Forderung an Südkorea und Japan, für den "Schutzschirm" des US-Militärs zu zahlen, demonstrierte Abneigung gegenüber diesen militärischen Allianzen, was Peking freute. Aber was ist, wenn Japan und Südkorea sich dann selbst Atomwaffen zulegen, um ihre Sicherheit zu schützen und die Bedrohung durch Nordkorea in Schach zu halten? Wettrüsten und Instabilität in Ostasien ist nicht in Chinas Interesse, ganz zu schweigen von einer Eskalation mit Nordkorea.
Auch muss Peking ganz vorsichtig mit seiner Hoffnung sein, dass die USA unter Trump vielleicht im Territorialstreit im Südchinesischen Meer zurückrudern würden - es könnte nämlich alles ganz anders kommen. So plädieren zwei seiner außenpolitischen Wahlkampfberater, Alexander Gray und Peter Navarro, eher für einen härteren Kurs als bisher. Der "Schwenk" der USA nach Asien sei halbherzig gewesen: "Laut reden, aber einen kleinen Stock tragen". China beansprucht große Seegebiete mit bedeutenden Fischgründen, Rohstoffvorkommen und Schifffahrtsstraßen. In dem Meeresgebiet reibt sich China mit der alten Pazifikmacht USA.
Die schwache Umsetzung der Politik unter Clinton als Außenministerin "hat die chinesische Aggression im Ost- und Südchinesischen Meer eingeladen", schreiben sie in der Publikation "Foreign Policy". Beide fordern einen Ausbau der US-Marine und Waffenverkäufe an Taiwan, um ein Gegengewicht zu Chinas wachsender Militärmacht zu schaffen. Auch kritisieren sie die "strategische Geduld" der USA gegenüber Nordkorea, das derweil Atomtests abhält und Raketen entwickelt.
Die Strategie Trumps beschreiben beide Berater als "Vision des Friedens durch Stärke". Und auch wenn der neue US-Präsident sein Team noch nicht bestellt hat, macht sich der Außenpolitik-Experte Shi Yinhong in Peking nichts vor: "Er wird einen harten Kurs steuern."
Andreas Landwehr