Die Türkei hat der Europäischen Union mit der Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens noch vor Ende dieses Jahres gedroht, sollte ihre Forderung nach Visafreiheit für türkische Bürger in der EU nicht bald erfüllt werden. "Unsere Geduld neigt sich dem Ende zu", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der "Neuen Zürcher Zeitung".

"Wir warten auf eine Antwort (der EU) in diesen Tagen. Wenn die nicht kommt, werden wir die Vereinbarung kündigen."

Die EU reagierte gelassen. Man stehe zu den Verpflichtungen des Abkommens, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel. Es handle sich dabei um "einen Vertrag, der auf beidseitigem Vertrauen" basiere - und dieser werde auch von beiden Seiten eingehalten.

"Beitrittsverhandlungen beenden"

Österreichs FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer übt sich indes im Muskelspiel: Europa müsse in der Flüchtlings- und Migrationsfrage "eigenständige Lösungsansätze"   finden und dürfe sich "nicht von der Türkei erpressen lassen". Die Beitrittsverhandlungen müssten sofort beendet werden. 

Es sei klar, dass sich die Türkei unter ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan immer mehr zu einem autokratischen Staat entwickle und Menschenrechtsverletzungen sowie die Beschneidung von Grundrechten, wie der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit, immer öfter an der Tagesordnung stünden.

Immer wieder habe sich die EU von der Türkei vorführen lassen, die sich jetzt gesellschaftspolitisch und kulturell immer weiter weg von europäischen Werten bewege, kritisierte Hofer. "Daher sind die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort abzubrechen (...) Jetzt ist es an der Zeit, die Schengen-Außengrenzen, besonders die griechisch-türkische, konsequent zu schützen. Hierbei muss sichergestellt werden, dass die EU-Länder dabei nicht alleine gelassen werden dürfen, sondern hier alle Länder ihren Beitrag leisten müssen", betonte der Bundespräsidentschaftskandidat.

Anti-Terror-Gesetze

Die Türkei habe auf Forderungen aus Brüssel reagiert und Lösungsvorschläge gemacht, könne aber ihre Anti-Terror-Gesetzgebung nicht ändern, erklärte der Minister. Da seien keine Zugeständnisse möglich. "Wir halten uns an die Abkommen mit der EU und erwarten, dass Europa dasselbe tut. Wenn das nicht geschieht, werden wir die Abkommen mit der EU auf diesem Gebiet aussetzen." Auf die Frage, bis wann dies geschehen würde, erwiderte Cavusoglu: "Wir warten nicht bis Jahresende. Wir haben eigentlich Ende Oktober gesagt."

Die EU hatte Ankara Visa-Erleichterungen in Aussicht gestellt, dies allerdings an die Voraussetzung geknüpft, dass die umstrittenen Anti-Terror-Gesetze geändert werden. Kritiker werfen der türkischen Führung vor, mit Hilfe dieser Gesetze politische Gegner und unliebsame Journalisten mundtot zu machen.