In der Schlussphase des US-Wahlkampfs spielt der FBI-Chef die Rolle des Wahlkampfhelfers für Donald Trump. Mit seiner Bekanntgabe neuer Untersuchungen zur E-Mail-Affäre von Hillary Clinton hat James Comey dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten bereits einen Schub gegeben - nun folgt eine weitere Veröffentlichung der Bundespolizei, die Trump potenziell in die Hände spielt.

Es geht um eines der dunkelsten Kapitel der Präsidentschaft von Bill Clinton - seine hochumstrittene Begnadigung des Börsenmaklers und Steuerflüchtlings Marc Rich, dessen Ex-Frau großzügig an die Demokraten gespendet hatte.

Steuerflüchtling begnadigt

Eine Woche vor der Wahl stellte das FBI einen 129-seitigen Bericht zu der 2005 abgeschlossenen Untersuchung des Gnadenerlasses ins Netz. Der Bericht scheint zwar keine wirklich neuen Erkenntnisse zu bieten - gleichwohl könnte er die von Trump erhobenen Vorwürfe unterfüttern, dass die Clintons ihre politischen Ämter missbrauchen, um sich mit reichen Gönnern zu verhabern.

Rich war vom Ehemann der heutigen Kandidatin an seinem letzten Amtstag im Weißen Haus im Jänner 2001 begnadigt worden. Der Börsenmakler war vor einer Anklage wegen Steuerbetrugs in die Schweiz geflüchtet, wo er bis zu seinem Tod vor drei Jahren blieb. Über vier Jahre hinweg prüfte die Bundespolizei, ob Bill Clinton die Amnestie möglicherweise als Belohnung für Spenden zugunsten der Senatskandidatur seiner Frau und an die Clinton-Stiftung ausgesprochen hatte. Hinreichende Hinweise darauf fanden die Ermittler aber nicht.

Dass die Bundespolizei nun kurz vor der Wahl die alte Geschichte aufwärmt, schürt die Entrüstung im Clinton-Lager über den FBI-Chef. Als "seltsam" bezeichnete Clintons Sprecher Brian Fallon diese Publikation. Seit Comeys Bekanntgabe am Freitag, dass seine Behörde neu aufgetauchte E-Mails aus Clintons Zeit als Außenministerin unter die Lupe nimmt, werfen ihm die Demokraten unzulässige Einflussnahme auf die Wahl vor. Trump hat seither in den Umfragen zugelegt, das Rennen scheint wieder eng geworden zu sein.

Mit seiner Ankündigung zur E-Mail-Affäre setzte sich Comey über Richtlinien des ihm übergeordneten Justizministeriums hinweg, die Einmischungen in Wahlkämpfe verbieten. Doch der FBI-Chef soll angeblich keinen anderen Weg gesehen haben. Die neuen Untersuchungen wären sicherlich durchgesickert, und Comey hätte sich vorwerfen lassen müssen, dem Kongress wichtige Informationen vorenthalten zu haben, sagten Vertraute des FBI-Chefs der "Washington Post".

Comey setzt alles auf Trump

Die Ermittler durchforsten nun unter Hochdruck die Tausenden von Mails. Sie wurden laut Medienberichten ausgerechnet auf einem Laptop des vor fünf Jahren wegen Sex-Mails zurückgetretenen Abgeordneten Anthony Weiner, dem Noch-Ehemann der Clinton-Vertrauten Huma Abedin, gefunden.

Ob sich Comey allerdings noch vor der Wahl am Dienstag dazu äußern wird, ob aufgrund des Mailfundes seine bisherigen Schlussfolgerungen zu revidieren sind oder nicht, ist ungewiss. Im Juli hatte er der Ex-Außenministerin für ihre regelwidrige Benutzung privater Server zwar eine scharfe Rüge geteilt, zugleich aber keinerlei Hinweise auf strafbares Verhalten gesehen.

FBI-Chef Comey
FBI-Chef Comey © (c) APA/AFP/NICHOLAS KAMM (NICHOLAS KAMM)

Auch hinsichtlich der jüngsten Publikation zur Rich-Affäre bestreitet Comey, der Republikaner ist und vor drei Jahren von Präsident Barack Obama berufen wurde, natürlich jegliche Absicht der Wahlbeeinflussung. Die Veröffentlichung folge einer "Standardprozedur", erklärte das FBI. Sie sei "automatisch und elektronisch" aufgrund des Gesetzes über die Informationsfreiheit erfolgt.

Die Angelegenheit gewinnt allerdings an Brisanz durch Comeys eigene Vorgeschichte: Als Staatsanwalt in New York ermittelte er einst gegen Rich, später war er führend an den Untersuchungen zum Gnadenerlass beteiligt.

Der Ruf des FBI-Chefs, der bis vor kurzem parteiübergreifenden Respekt genoss, ist auf jeden Fall schwer ramponiert. Möglicherweise muss er sogar um seinen Job bangen, sollte Clinton gewinnen. Comey ist zwar für zehn Jahre ernannt - aber selbstverständlich wäre die Präsidentin ermächtigt, ihn vorzeitig zu entlassen.