Routine war das nicht. Tagelange Verhandlungen in Belgien, Eilanträge gegen CETA vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht - nun ist das Handelsabkommen mit Kanada unterzeichnet. Doch die Unterschrift ist kein Schlussstrich - ganz im Gegenteil.
Ein paar Schnörksel auf Papier, Beifall und strahlende Gesichter: Der europäisch-kanadische Handelspakt CETA ist unterzeichnet. "Wir haben's getan", jubelt Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland. Was Befürworter als großen Tag für beide Seiten feiern, mobilisiert am Tag der Unterschrift in Brüssel noch einmal die Gegner. Farbbeutel fliegen. "CETA, TTIP, wir wollen das nicht", singen 250 Demonstranten vor der Tür des Ratsgebäudes im Europaviertel.
Dramatik bis zuletzt
Nach siebenjährigen Verhandlungen waren die letzten Wochen bis zur Unterzeichnung des Abkommens ziemlich dramatisch. Erst nachdem belgische Kritiker in internen Gesprächen mit der Föderalregierung weitere Garantien erhalten haben, kann auch Belgien zustimmen. Und so, mit drei Tagen Verzögerung, wird CETA doch noch unterschrieben.
Dass sich die Zeremonie unter anderem wegen Flugzeugproblemen Trudeaus noch einmal um mehr als eineinhalb Stunden verzögert, fällt da auch nicht mehr ins Gewicht. Der Kanadier gibt sich auf Fragen zur CETA-skeptischen belgischen Region Wallonie ganz diplomatisch. Sei doch "eine gute Sache", dass die Nachfragen Gelegenheit gaben zu zeigen, dass CETA positive wirtschaftliche Auswirkungen habe.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nimmt das weniger locker. "Belgien muss über seine Funktionsweise nachdenken, wenn es um internationale Beziehungen geht", sagte er mit warnend erhobenem Zeigefinger. Überhaupt scheint ihm angesichts der heftigen Kritik an CETA die Galle überzulaufen: "Ich finde es unverschämt, dass man sich vorstellt, dass die höchsten Vertreter der demokratischen Welt dabei wären (...) die Demokratie zu bedrohen." Ende der Durchsage.
Doch die Unterschriften vom Sonntag bilden keinen Schlussstrich. Zwar soll das Abkommen nach der Abstimmung des Europaparlaments im Dezember oder Jänner größtenteils in Kraft treten. Aber in Deutschland kämpfen Kritiker weiter vor dem Verfassungsgericht für die Blockade des von ihnen ungeliebten Pakts.
Und dann müssen die nationalen Parlamente der EU-Staaten CETA absegnen. Darauf hoffen Kritiker. "Jetzt sind die nationalen Parlamente am Zug, sie müssen CETA zu Fall bringen", fordert Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
"Mehr Transparenz und Beteiligung"
Für die Zukunft verspricht EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström "sogar noch mehr Transparenz und Beteiligung". Doch diese werden auch künftig Grenzen haben. Bei Handelsgesprächen sitzen Partner am Tisch, die manche Interessen teilen, andere nicht. Wer die Karten eng an der Brust hält, verbirgt sie aus strategischen Gründen vor dem Gegenüber - aber auch vor dem Bürger.
Der Brexit-Schock sorgte im Sommer für die Entscheidung, dass auf Drängen der europäischen Staats- und Regierungschefs auch nationale Parlamente CETA zustimmen müssen. Nach einer solchen Ohrfeige für die EU sollte das Volk - durch seine parlamentarischen Vertreter - doch besser mitreden bei CETA.
Bei Handelsverträgen geht es längst nicht mehr nur um den Abbau von Zöllen, sondern auch um die Angleichung von Standards. Das Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) reißt Zölle und andere Handelsbarrieren ein und soll so Wachstum schaffen. Es beseitigt Zugangsbeschränkungen bei öffentlichen Aufträgen und öffnet die Märkte für Dienstleistungen.
Die EU und Kanada weisen die Kritik, dass die europäischen Standards in Bereichen wie Lebensmittelsicherheit und Arbeitnehmerrechte durch CETA sinken, als unbegründet zurück. Im Gegenteil, meint Ratspräsident Donald Tusk. Freier Handel und Globalisierung schützen die Menschheit vor Konflikten. "Unser Problem ist, dass das wenige Menschen verstehen." Die beste Werbung sei in dieser Hinsicht die Anwendung des Abkommens, glaubt er. "Das ist für mich der Hauptgrund unseres sehr vorsichtigen Optimismus."