Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat nach UN-Angaben in den vergangenen Tagen in und um die nordirakische Stadt Mosul mehr als 250 Menschen hingerichtet und fast 8000 Familien entführt. Wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Freitag mitteilte, will der IS die entführten Zivilisten offenbar in Mosul als menschliche Schutzschilde missbrauchen.
Der Regierungschef der irakischen Kurdengebiete, Neshirvan Barzani, forderte unterdessen mehr Waffen für den "Krieg um Mosul".
"Der IS hat zehntausende Menschen aus ihren Häusern in die Bezirke um Mosul gezwungen", sagte die UN-Menschenrechtssprecherin Ravina Shamdasani in Genf. Am Mittwoch sollen den Angaben zufolge auf dem Militärstützpunkt Al-Issa außerhalb von Mosul 42 Zivilisten erschossen worden sein, weil sie sich dem IS-Befehl verweigerten, in die Großstadt zu ziehen.
Zahl der Hinrichtungen nimmt zu
Auch ehemalige Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte wurden den UN-Angaben zufolge von den Jihadisten getötet. Am Dienstag hätten die IS-Kämpfer 24 und am Mittwoch 190 ehemalige Angehörige der Sicherheitskräfte getötet, teilte das UN-Menschenrechtsbüro mit. Das Massaker am Mittwoch wurde demnach auf dem Militärstützpunkt al-Ghaslani in Mosul verübt.
Die Berichte seien so weit wie möglich überprüft worden, sagte die UN-Sprecherin. Es müsse von weiteren, noch unbestätigten Hinrichtungen ausgegangen werden.
Am 17. Oktober hatten die irakische Armee und kurdische Einheiten eine Militäroffensive zur Befreiung von Mosul gestartet. Die Zahl der Hinrichtungen nimmt den UN-Angaben zufolge zu, je näher die irakischen Soldaten und die kurdischen Peshmerga-Kämpfer sowie schiitische Milizen auf die Großstadt vorrücken. In der IS-Hochburg Mosul werden bis zu 5000 IS-Kämpfer vermutet.
"Auge um Auge und Zahn für Zahn"
Die Kämpfe beunruhigen zunehmend auch die Türkei, da schiitische Milizen ins Grenzgebiet vorstoßen wollen. Die Regierung in Ankara fürchtet, dass damit neue Fluchtbewegungen in der überwiegend sunnitischen Bevölkerung ausgelöst werden könnten. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein, zeigte sich auch über Ankündigungen von Schiitenmilizen besorgt, die aufseiten der irakischen Armee gegen den sunnitischen IS kämpfen. Sprecherin Shamdasani wies darauf hin, dass einige Milizionäre im Fernsehen angekündigt hätten, nach dem Motto "Auge um Auge und Zahn für Zahn" mit Unterstützern des IS in den eroberten Gebieten zu verfahren.
Am Freitag kündigten die schiitischen Milizen eine Offensive gegen IS-Stellungen westlich von Mosul an. Stoßrichtung sei die Stadt Tal Afar im Grenzgebiet zur Türkei. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte gewarnt, die Türkei werde Maßnahmen einleiten, sollte der Ort angegriffen werden. Dort lebten Sunniten und schiitische Turkmenen, bis die Schiiten 2014 vor IS-Kämpfern flüchteten. Die Türkei fürchtet, der Einsatz der vom Iran unterstützten schiitischen Milizen in der sunnitisch geprägten Region könnte zu Konflikten zwischen den Religionsgruppen führen. Zudem fühlt sich die Regierung in Ankara für dort lebende Turkmenen verantwortlich.
"Vorrat an Selbstmordattentätern"
Der kurdische Regierungschef Neshirvan Barzani sagte der "Bild"-Zeitung vom Freitag, die Kurden benötigten zur Verteidigung gegen den "schier unendlichen Vorrat an Selbstmordattentätern" beim IS mehr Waffen und Munition. "In diesem Krieg um Mosul werden wir noch mehr Waffen brauchen, es ist der bisher schwierigste Kampf", sagte Barzani in dem Interview, das im nordirakischen Erbil geführt wurde.
Barzani rechnet nach eigenen Angaben damit, dass Mosul "in spätestens drei Monaten befreit" sein könne. Die Kurden im Nordirak seien der deutschen Regierung "sehr dankbar" für die Ausstattung mit Panzerabwehrraketen vom Typ "Milan", dadurch seien bereits "viele Leben gerettet" worden, fügte Barzani hinzu.
Seit September 2014 haben Bundeswehrsoldaten in Erbil rund 11.000 Kämpfer im Umgang mit deutschem Kriegsgerät ausgebildet. Am Sturm auf Mosul beteiligen sich bis zu 4000 kurdische Peshmerga-Kämpfer. Die US-geführte Anti-IS-Koalition unterstützt sie durch Luftangriffe.
Tausend Sturmgewehre aus Deutschland
Neben den "Milan"-Raketen und Panzerfäusten lieferte Deutschland mehrere tausend Sturmgewehre sowie mehrere Millionen Schuss Munition. Zudem erhielten die Peshmerga gepanzerte "Dingo"-Truppentransporter, Funkgeräte, Nachtsichtgeräte und Zelte. Bis Anfang Oktober gelangte so deutsches Kriegsgerät im Umfang von mehr als 2200 Tonnen in den Irak.
Die deutsche Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die neuen Forderungen. Beim Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Bagdad und Erbil Ende September seien zusätzliche Waffenforderungen für die Mosul-Offensive "überhaupt kein Thema" gewesen, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Vielmehr sei in allen Gesprächen "hohe Zufriedenheit" mit der deutschen Unterstützung geäußert worden.