Sollte Hillary Clinton am 8. November zur 45. Präsidentin der Vereinigten Staaten gewählt werden, wird sie sich bei vielen Frauen bedanken. Bei Huma Abedin, etwa, ihrer langjährigen Weggefährtin und Beraterin, bei Elizabeth Warren, der Senatorin, die für sie den linken Flügel gehalten hat.

Vor allem aber bei einer Frau, die mit Politik eigentlich gar nicht so viel am Hut haben will: Michelle Obama, Gattin, Juristin, Mutter und First Lady. Die Frau von Präsident Barack Obama hat sich binnen weniger Monate zu einer der effektivsten Wahlkampf-Waffen der US-Demokraten entwickelt.

Erster gemeinsamer Auftritt

Am Donnerstag trat Michelle Obama erstmals gemeinsam mit Clinton auf die Bühne. Klar, dass die beiden Frauen dorthin gingen, wo die Stimmen besonders gebraucht werden. Winston-Salem, North Carolina, das ist ein Wahlkampfschlachtfeld, ein "Battleground", wie die Amerikaner sagen. Als Südstaat neigt North Carolina eigentlich eher den Republikanern zu. Die vielen Afroamerikaner wählen aber eher demokratisch. 2008 hat Barack Obama den Staat knapp für die Demokraten geholt, 2012 dann knapp verloren. Donald Trump muss hier gewinnen, will er eine Chance auf den Sieg haben.

Stronger together - gemeinsam stärker
Stronger together - gemeinsam stärker © AP

Michelle Obama kann den Unterschied machen, das wissen die Demokraten. "Eine wirkungsvollere Stimme haben wir in unserem Lager nicht", sagt Jennifer Palmieri, die Sprecherin des Clinton-Wahlkampfes. Das weiß auch Obama selbst. Sie scheint Spaß gefunden zu haben an dem, was sie eigentlich ablehnt. Auf dem Parteitag der Demokraten im Juli in Philadelphia war sie schon für Clinton in die Bütt gegangen. Erst widerwillig. Dann wurde sie gefeiert, für eine Rede, die vielleicht eine der besten des Parteitags war. "When they go low, we go high!", hatte sie den Delegierten voller Wut darüber zugerufen, dass Donald Trump das Niveau des Wahlkampfes unter der Gürtellinie definiert.

Ziemlich beste Freundinnen: Hillary Clinton und Michelle Obama
Ziemlich beste Freundinnen: Hillary Clinton und Michelle Obama © AP

Der Spruch, den ihr Redenschreiberin Sarah Hurvitz auf den Teleprompter brannte, sollte zum Schlachtruf des Clinton-Wahlkampfes werden. Kurz nachdem Trump als wüster Macho mit obszönen Bemerkungen auf einem Video erwischt worden war, war es Michelle Obama die in genauso klaren wie verständlichen Sätzen ein Bild zeichnete, das in den Köpfen der Wähler hängen blieb. "Ein Mann der Frauen verachtet, soll nicht das Land regieren, in dem meine Töchter leben." Selbst Trumps Wahlkampf-Chefin Kellyanne Conway musste anerkennen: Sie ist ein echter Trumpf, der den Republikanern fehlt.

Obama soll für die Demokraten die schwarze Minderheit ansprechen. Und sie kann viel offener gegen Trumps teils frauenverachtende Rhetorik vorgehen. Clinton fehlt auch da nach den Affären ihres Mannes Bill die Glaubwürdigkeit. Obama hat sie. Die Harvard-Juristin kann reden. Und sie versteht, ihre Beliebtheit zu nutzen, ohne Clinton zu schaden. Es sind nicht nur die Inhalte, die sie zur wohl beliebtesten Wahlkämpferin der Kampagne 2016 machten. Es ist vor allem ihr Auftritt.

Nicht immer der Superstar

Mit ihren 52 Jahren wirkt die First Lady noch immer jugendlich, Gestik und Mimik wie ein Teenager. An Stellen, an denen es ihr wichtig ist, wird der Satzbau einfach. Sie spricht nicht zu den Zuhörern. Sie redet geradezu auf sie ein. Manchmal wirkt sie wie der Coach eines Sportteams in der Kabine, der sein Team für die zweite Halbzeit noch einmal richtig einpeitschen will. Als ob sie ihre Botschaft jedem Einzelnen hinter die Ohren schreiben will: "Ihr geht raus und wählt. Jetzt, sofort!", ruft sie. Manchmal ist sie eher die Pastorin, die mantraartig ihre Botschaft streut: "When they go low, we go high!", sagte sie immer wieder und zeigt mit dem Daumen nach oben.

Die First Lady war nicht immer der Superstar der Amerikaner. Manche warfen ihr vor, ihre Rolle nicht politisch genug ausgelegt zu haben. Zuviel gesundes Gemüse, zu wenig soziales Engagement. Andere bemängelten ihren teils steifen Auftritt, wieder andere sahen sie abgetaucht. Sie selbst fühlte sich gefangen in der Welt von Leibwächtern, Dresscodes und offiziellen Empfängen. Ihr größtes Problem: Den Töchtern Sasha und Malia ein halbwegs normales Aufwachsen zu ermöglichen.

In der zweiten Amtszeit ihres Mannes kam die Lockerheit zurück. Michelle gab sich für eine Blödel-Einkaufstour bei der Drogeriekette mit Talk-Moderatorin Ellen DeGeneres her und machte weltweit Schlagzeilen mit ihrem Auftritt in James Cordens "Carpool-Karaoke" in der Late Late Show. "Cool" lautete das Urteil der Internetgemeinde.

Zeigt Klasse und Haltung

Im Wahlkampf ist Obama nun der Gegenpol zu all den Tiefpunkten, die die Politiker setzen. Sie muss nicht kandidieren, der Druck des Gewinnenmüssens lastet nicht auf ihren Schultern. In ihren Reden macht sie das, was gute Wahlkämpfer früher einmal taten: Den Gegner auseinandernehmen, ohne ihn auch nur einmal beim Namen zu nennen. Sie zeigt Klasse, Haltung, Würde, kann aber auf dem Boden bleiben, hebt nicht ab. Den Leuten gefällt das. Die Amerikaner hängen an ihrer First Lady. Vielleicht auch, weil mit Melania Trump jemand ins Weiße Haus einzuziehen droht, die sich kaum jemand dabei vorstellen kann, wie sie schwer erziehbaren Jugendlichen die Leviten liest, oder mit höchsten politischen Amtsträgern gekonnt smalltalkt.

"Michelle for Hillary" steht auf einem Schild, das ein Fan in Winston-Salem im Publikum hochhält. Medien spekulieren munter darüber, ob Michelle Obama 2020 oder 2024 möglicherweise selbst in den Wahlkampf ziehen will. Nach dem ersten schwarzen Präsidenten und mit Hillary Clinton der vielleicht ersten Frau dann als erste schwarze Frau. Möglicherweise ist Michelle Obama sich allerdings zu schade für die US-Politik.