Im Bürgerkriegsland Libyen hat ein fast schon skurriler Putschversuch gegen die "Regierung der Nationalen Einheit" stattgefunden. Am späten Freitagabend drang der frühere islamistische Regierungschef Khalifa Ghweil in den Sitz des Präsidialrates in der Hauptstadt Tripolis vor und verlas dort eine Erklärung, wonach seine frühere "Regierung des Nationalwohles" wieder die Macht übernommen habe.

Laut Berichten lokaler Medien konnte Ghweil völlig ungehindert in das Gebäude vordringen, weil die zu dessen Schutz abgestellten Sicherheitskräfte aufgrund fehlender Bezahlung ihre Posten verlassen hatten. Allerdings blieb der Aufruf des Islamisten vorerst ohne Folgen, die Lage in der libyschen Hauptstadt war nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP am Samstag vorerst ruhig, es habe auch keine verstärkte Militärpräsenz gegeben.

Tief gespalten

Libyen ist trotz einer Einigung auf einen Friedensplan Ende 2015 weiterhin ein gespaltenes und politisch äußerst instabiles Land. Während in der Hauptstadt Tripolis mittlerweile die von der UNO unterstütze "Regierung der Nationalen Einheit" die Kontrolle übernommen und die frühere islamistische Regierung vertrieben hat, herrschen im Osten weiterhin General Khalifa Haftar und seine Verbündeten. Auch das lange Zeit als offizielle Vertretung des Landes anerkannte Parlament im ostlibyschen Tobruk verweigert der "Regierung der Nationalen Einheit" weiter die Zustimmung.

Eben dieses Parlament in Tobruk sowie die von ihm unterstütze Parallelregierung forderte Khalifa Ghweil am Freitagabend zur Kooperation auf - was angesichts der früheren Rivalität der beiden Regierungen bemerkenswert ist. Seine früheren Minister der "Regierung des Nationalwohles" sollten wieder auf ihre Posten zurückkehren, erklärte der Ex-Premier. Die Minister der "Regierung der Nationalen Einheit" erklärte er für suspendiert.

"Chaotische Handlungen"

Die "Regierung der Nationalen Einheit" verurteilte ihrerseits die Eroberung des Präsidialrates durch "bewaffnete Gruppen" und sprach von einem neuen "Versuch das politische (Friedens-, Anm.) Abkommen zu sabotieren". Sämtliche "Politiker, die versuchen Parallelstrukturen zu errichten und die Hauptstadt zu destabilisieren" würden festgenommen.

Der UNO-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, sprach umgehend der "Regierung der Nationalen Einheit" als "einzige legitime Autorität" seine "starke Unterstützung" aus und verurteilte den Putschversuch. "Solche Handlungen (...) erzeugen zusätzliches Chaos und Unsicherheit und müssen zum Wohle der libyschen Bevölkerung ein Ende haben", forderte Kobler in einer über Twitter verbreiteten Erklärung.