Hochspannung herrschte nach der dreieinhalb Stunden langen Präsidiumssitzung der SPÖ, in der es um ein Ja oder Nein zum umstrittenen EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA geht. Im Vorfeld hatte ÖGB-Präsident Erich Foglar gesagt, dass die Sache für den Gewerkschaftsbund nach momentanem Stand nicht "zustimmungsreif" sei. Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl hatte betont, dass noch nicht alle kritisch gesehenen Punkte bei CETA befriedigend gelöst seien.

Kern betonte nach der Sitzung in der anschließenden Pressekonferenz, dass fast jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich vom Export abhänge. Doch CETA und TTIP würden weit über den Rahmen dessen hinausgehen, was unter Freihandel gemeinhin bekannt ist.

Notwendig sei eine Liste von Verbesserungsmaßnahmen, aber freilich seien auch die alle nicht geeignet, um alle Skepsis auszuräumen.

Kern sagte allerdings klar verständlich: "Die Bundesregierung wird ermächtigt, diesen Vertrag (CETA, Anm.) zu unterfertigen, aber Bedingungen gehen damit einher."

Im weiteren Ratifizierungsprozess erwarte sich Österreich aber noch Erklärungen.

Mit der SPÖ-internen Entscheidung, die keineswegs einstimmig ausfiel, wurde auch eine drohende Koalitionskrise abgewendet.

Die drei Kritikpunkte der SPÖ im Überblick:

Probleme mit Investitions-Gerichtsbarkeit, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, Probleme und Sorgen um Verschlechterung der Nachhaltigkeitsstandards.

Mitgliederbefragung im Vorfeld

Bundeskanzler Christian Kern hatte sich im Vorfeld in der eigenen Partei, der SPÖ, die Latte hoch gelegt: Eine Mitgliederbefragung erklärte er zum Maß aller Dinge - obwohl daran nur 14.400 von rund 200.000 SPÖ-Mitgliedern teilnahmen.

Und die Mitglieder stimmten dagegen, dass Österreich "der vorläufigen Anwendung von Ceta auf EU-Ebene" zustimmt, sie stimmten dagegen, dass im Vertrag mit Kanada die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten enthalten ist, und dagegen, dass der Vertrag in Kraft gesetzt wird, wenn dadurch europäische Qualitätsstandards etwa für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz gesenkt werden könnten. Ein klares Nein zu Ceta. Allerdings hat sich der Parteichef durch die Fragestellung den Notausstieg offen gelassen.

Bei der "vorläufigen Anwendung" kann er sich seit Donnerstag auf das deutsche Bundesverfassungsgericht berufen, das für Deutschland klar stellte, dass vor der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente nur das in Kraft treten darf, wofür die EU auch zuständig ist, also nicht die Investitions-Schiedsgerichte. Das werden naturgemäß auch Österreich und alle anderen EU-Länder für sich beanspruchen.

Von einem endgültigen Njet für solche Schiedsgerichte war in der Befragung keine Rede. Kein Wunder: Gibt es doch derzeit schon gezählte 63 bilaterale Investitionsschutzabkommen Österreichs mit anderen Ländern, wie das Nachrichtenmagazin "profil" kürzlich ausführlich darstellte. Viele davon übrigens mit EU-Ländern, und sehr zum Missfallen der EU, die darin die Gleichbehandlung unter den Mitgliedsstaaten beeinträchtigt sieht. Und Österreich ist im Rahmen dieser Schiedsgerichte meist nicht Opfer sondern Kläger.

Und in Sachen Standards wird Kanada nicht müde zu betonen, dass es eh niemandem um die Absenkung dieser Standards gehe. "Die EU, ihre Mitgliedsländer und Kanada werden weiter die Möglichkeit haben, die legitimen politischen Ziele ihrer demokratischen Institutionen zu erreichen" - insbesondere bei öffentlicher Gesundheit, Sozialen Diensten, öffentlicher Bildung, Sicherheit, Umwelt und dem Schutz kultureller Vielfalt, heißt es in der Zusatzerklärung, die erwirkt wurde und salopp als "Beipacktext" zum Vertrag bezeichnet wird. Auch die Standards bei Lebensmittelsicherheit, Konsumentenschutz, Gesundheit, Umwelt oder Arbeitsschutz "werden nicht gesenkt", stellt die Erklärung unter anderem fest.

Nationales Recht ermöglicht Ausstieg

"Wenn ein Gericht feststellt, dass nationales Recht einen Ausstieg ermöglichen muss, dann verändert das einiges", sagte der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser  zu dem Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts. Die Initiative von Kern  habe jedenfalls Bestätigung durch das Urteil erhalten. Es sei richtig, Kritik aufzugreifen und auf höchstmögliche Ebene zu heben.

Kritik von Greenpeace und Co.

Greenpeace, Global 2000 und Attack sehen die Kritikpunkte am Vertragswerk weiterhin aufrecht. Das letzte Wort zu CETA ist übrigens auch in Deutschland noch lange nicht gesprochen. Über die Verfassungsbeschwerden selbst wird das Gericht erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.