Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz war am Sonntagabend zu Gast in der ARD-Talk-Show von Anne Will. Zum Thema stand die Frage „Ungarn will keine Muslime – Wird Islamfeindlichkeit in Europa salonfähig?“. Einmal mehr bekräftigte Kurz in der Sendung, dass Europa in der Flüchtlingsfrage viele Fehler gemacht habe. Gesehen haben seinen Auftritt 3,8 Millionen Deutsche und 162.000 Österreicher.

"Wir haben mittlerweile die gefährliche Entwicklung in Europa, dass viele Staaten, und nicht nur Ungarn und nicht nur die Visegrád-Staaten (Anm.: Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn), nicht glücklich sind mit der Politik, die da gemacht wird", gibt Kurz zu bedenken. Viele Staaten hätten "das Gefühl, einige wenige mitteleuropäische Staaten, vor allem Deutschland, zwingen hier anderen eine Politik auf, die sie nicht wollen". Dass Ungarn keine Migranten aufnehmen wolle, sei nicht nur ein ungarisches Phänomen, betont er weiters. Die Tendenz wäre in den meisten europäischen Staaten erkennbar. Viele Flüchtlinge würden auch gar nicht in Ländern wie Rumänien, Polen oder Ungarn bleiben wollen, sondern nach Deutschland, Österreich oder Schweden. "Insofern scheitert die Verteilquote ja nicht nur daran, dass die Staaten nicht bereit sind, sondern auch daran, dass die Flüchtlinge oder Migranten nicht dazu bereit sind", erklärt der Außenminister.

"Riesen-Spaltpilz"

In der Flüchtlingsfrage sei derzeit ein "Riesen-Spaltpilz" vorhanden, die "Fliehkräfte und die Blockbildung würden gerade stärker" werden und die Visegrád-Gruppe als Konterpart zu Deutschland auftreten. Einige Mitgliedsstaaten hätten das Gefühl, sie würden als Mitglieder "zweiter Klasse" behandelt, sie müssten von den "moralisch Überlegenen erzogen werden". Kurz fordert angesichts dieser Entwicklungen mehr "Verständnis" und mehr "Respekt" für andere Meinungen. Ansonsten drohe "dieses europäische Projekt zu scheitern". 

„Wer in Syrien leidet, der hat keine Chance legal zu kommen“, warnte Kurz. Jene aber, die es illegal etwa nach Italien schaffen, schon. „Relocation-Programme“ (Anmerkung der Redaktion: Umverteilungsprogramme) seien für ihn die „falsche Politik“.


Bereits im Vorfeld hatte der Außenminister dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban quasi Rückendeckung gegeben. Mitteleuropäische Staaten - wie auch Deutschland - hätten in der Flüchtlingsfrage den Fehler gemacht, ihre Linie den anderen Staaten in der EU aufzwingen zu wollen, meinte der ÖVP-Politiker gegenüber der "Welt am Sonntag". "Wäre unser oberstes Ziel von Anfang an nicht die Verteilung von Flüchtlingen, sondern der Schutz der Außengrenzen gewesen, dann hätte es dieses Referendum in Ungarn vermutlich niemals gegeben."

Zu geringe Beteiligung

Das umstrittene Referendum zur EU-Flüchtlingsquote in Ungarn war am gestrigen Sonntag wegen zu geringer Beteiligung gescheitert. Nach amtlichen Angaben beteiligten sich nur 43,35 Prozent der Wahlberechtigten an dem Volksentscheid. Eine Beteiligung von mindestens 50 Prozent wäre jedoch nötig gewesen, damit er gültig gewesen wäre. Wie die Behörden nach Auszählung fast aller Stimmen am Sonntagabend mitteilten, stimmten jedoch 98,3 Prozent gegen die EU-Flüchtlingsquote.