Kaum einer hatte mit der Ablehnung des Vertrags mit den FARC-Rebellen gerechnet. Nach fast vierjährigen Verhandlungen stehen die Konfliktparteien vor dem Nichts. Auch Präsident Santos ist schwer beschädigt - er hatte voll auf den Friedensprozess gesetzt.
Vier Jahre verhandelt
Die mühsamen Verhandlungen über fast vier Jahre in Kuba, das erbitterte Ringen um politische und rechtliche Details, eine Millionen schwere Kampagne für die Zustimmung zu dem Vertrag - alles umsonst: Die Kolumbianer haben das historische Friedensabkommen mit der linken Guerillaorganisation FARC abgelehnt.
Das "No" stürzt das südamerikanische Land in eine Phase der Unsicherheit. Alle Umfragen deuteten auf eine Bestätigung des Friedensvertrags in dem Referendum hin. Präsident Juan Manuel Santos war so fest von einem positiven Votum überzeugt, dass er immer wieder sagte, er habe keinen Plan B.
Mit versteinerter Mine tritt der Staatschef am Abend vor die Kameras. "Ich gebe nicht auf. Ich werde mich bis zum letzten Tag meiner Amtszeit um den Frieden bemühen. Das ist der einzige Weg, um unseren Kindern ein besseres Land zu hinterlassen", sagt der Präsident.
Lage sondieren
Santos versucht zu retten, was zu retten ist. Gleich am Montag werde er die Regierungsunterhändler wieder nach Kuba schicken, um gemeinsam mit der FARC-Delegation die Lage zu sondieren, kündigt er an. Auch mit seinen Gegnern will er sprechen. "Ich rufe die politischen Kräfte zusammen - vor allem die des Neins - um ihnen zuzuhören, den Dialog zu eröffnen und den weiteren Weg festzulegen", sagt er.
Für den Präsidenten steht viel auf dem Spiel: Sein politisches Erbe ist eng mit dem Friedensprozess verknüpft. Mit der Niederlage sei Kolumbien in den Zustand der "Unregierbarkeit" geraten, sagt die Politologin Sandra Borda. Santos Amtszeit dauert noch bis Mitte 2018, aber durch die Ablehnung des Vertrags ist er schwer beschädigt.
Das Tragische dabei: Santos war rechtlich überhaupt nicht dazu verpflichtet, über den Friedensvertrag abstimmen zu lassen. Er setzte das Referendum aus freien Stücken an, um das Abkommen auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen. Das hat sich nun gerächt.
Wie es in Kolumbien nun weitergeht, steht in den Sternen. Die FARC kündigten zwar an, weiter den Weg des Friedens beschreiten zu wollen. Präsident Santos sagte, der Waffenstillstand sei weiterhin gültig. Ob die Rebellen nun aber tatsächlich wie geplant die Waffen abgeben und sich in bestimmten Gebieten konzentrieren, darf zumindest bezweifelt werden. Ohne das Abkommen verfügen die Guerilleros schließlich über keinerlei Sicherheitsgarantien.
Der große Gewinner des Referendums ist der ehemalige Präsident Alvaro Uribe und seine rechte Partei Centro Democratico. Unermüdlich hatte der konservative Hardliner für eine Ablehnung des Vertrags geworben. Er kritisierte vor allem den in dem Abkommen vorgesehenen Strafnachlass für die Guerilleros und warb für Neuverhandlungen: "Der Frieden weckt Hoffnungen, aber die Vertragstexte sind enttäuschend."
"Das ist kein Sieg des Neins - das ist eine Niederlage für Kolumbien", sagt Maria Victoria Llorente von der Stiftung Ideas para la Paz (Ideen für den Frieden). In der Tat waren die Hoffnungen groß: Nach über einem halben Jahrhundert der Gewalt sollte endlich Frieden in Kolumbien einkehren. Die FARC-Rebellen wollten künftig als politische Bewegung für mehr soziale Gerechtigkeit eintreten. Und Wirtschaftsexperten erwarteten eine satte Friedensdividende.
Präsident Santos ist an das negative Votum gebunden - er kann den Vertrag nun nicht in Kraft setzen. Theoretisch könnten die Delegationen der Regierung und der FARC ein neues Abkommen aushandeln. "Juristisch ist ein neues Abkommen möglich, aber politisch wird es sehr schwierig", sagt der kolumbianische Verfassungsrechtler Rodrigo Uprimny. "Es hängt von der Größe von Santos, der FARC und des Centro Democratico ab."
Das äußerst knappe Ergebnis zeigt aber auch, wie tief gespalten die kolumbianische Gesellschaft nach über 50 Jahren des internen Konflikts ist. "Wir müssen akzeptieren, wie polarisiert wir sind und dass uns der Frieden noch weiter entzweit", sagt Jura-Professor Uprimny.