Jetzt, endlich ein Termin. Im März soll es losgehen mit den Brexit-Verhandlungen - sagt Theresa May jedenfalls. Der Druck auf die britische Premierministerin ist schlichtweg zu groß geworden. Lange, allzu lange hat sie gezögert und gezaudert, um den heißen Brei herumgeredet, kein Datum genannt für den Start der Austrittsverhandlungen.
Eingefleischten Brexit-Fans in London - auch in ihrem eigenen Kabinett - ist das schon zu bunt geworden. Jetzt also, pünktlich zum Beginn des Tory-Parteitages am Sonntag in Birmingham lüftet sie das große Geheimnis - offene Fragen gibt es dennoch haufenweise.
Erst vor ein paar Tagen gab es eine Breitseite gegen May, die sich gewaschen hatte. Der unabhängige Think Tank Institute for Government griff sie frontal an: "Schweigen ist keine Strategie", meinte das Institut, mit ihrem Schweigen zur Strategie und Zeitplan verunsichere sie Wirtschaft und Gesellschaft. Auch ihre Entscheidung, dass sich gleich drei Ministerien mit dem Thema befassen sollen, provoziere geradezu politische Reibungsverluste und sei ein schwerer Fehler.
Um eins draufzusetzen, nannte das Institut noch ein paar Zahlen: Die Verhandlung würden London jährlich rund 65 Millionen Pfund (75,49 Mio. Euro) kosten, die zuständigen Ministerien müssten mindestens 500 zusätzliche Beamte einstellen. Nie zuvor war May derartig ins Visier der Kritiker geraten. Zeitungen meinten kürzlich bereits, nicht mal die Hälfte des Personals sei bisher angeheuert.
Man erinnert sich: Die ehemalige Innenministerin May ist keine "geborene Brexit-Frau". Im Gegenteil: Im Wahlkampf vor dem Referendum Ende Juni plädierte sie für Verbleib in der EU - wenn auch sehr leise. Tatsächlich war sie mit ihrer Meinung derart zurückhaltend, dass sie kaum vernehmbar war. Was manchen als taktisch geschickt galt - so konnte sie sich später als diejenige präsentieren, die Gräben zuschütten und die Partei einigen könnte.
Nur, überzeugten Brexit-Befürwortern in den eigenen Reihen blieb da ein Rest-Verdacht. Was will May wirklich? Hinter den Kulissen wurde geschoben und taktiert, erst kürzlich ließ sich Außenminister Boris Johnson öffentlich vernehmen, im Februar solle es losgehen. Abgesprochen mit Downing Street war das nicht.
"Brexit heißt Brexit", heißt Mays Mantra - was immer es konkret bedeuten soll. Drei Monate nach dem historischen Referendum Ende Juni rätseln die Briten nach wie vor, wie denn die Nach-EU-Ära für das Vereinigte Königreich aussehen solle.
Ursprünglich hieß es, London strebe eine "weiche Landung" an, wolle also eine Lösung, bei dem es weiterhin Zugang zum EU-Binnenmarkt hat. Jetzt kursieren immer wieder Berichte über eine mögliche "harte Landung" - also Schluss mit dem Binnenmarkt.
Doch dabei dürfte es sich allerdings eher um das Pokern vor den Verhandlungen handeln - jeder will möglichst cool erscheinen. Allerdings, Hardliner verweisen immer häufiger auf den Trumpf, den die Briten im Ärmel haben: Die EU exportiert viel mehr nach Großbritannien als umgekehrt. Allen voran die Deutschen, die wollen doch weiterhin ihre Autos auf der Insel verkaufen, sagte unlängst Boris Johnson mit süffisantem Lächeln.
Nur eines steht bei May fest: Der ungehinderte Zuzug von EU-Migranten soll eingeschränkt werden. London müsse beim Thema Migration wieder die Oberhoheit gewinnen, niemand anders dürfe da reinreden, schon gar nicht Brüssel. Da hat sich die Ex-Innenministerin festgelegt, da gibt es kaum ein zurück mehr. Das Thema Migration dürfte wohl zum Knackpunkt der EU-Gespräche werden, die jetzt also im März beginnen sollen - und zwei lange und zähe Jahre dauern dürften.
Peer Meinert, London