In sozialen Netzwerken kursieren bereits Vergleiche der Schlammschlacht mit dem US-Politthriller "House of Cards".
17 Mitglieder des PSOE-Bundesvorstandes legten am Mittwoch überraschend ihre Ämter nieder, um den umstrittenen Parteichef Pedro Sanchez zum Rücktritt zu zwingen. Ihr Argument: Sanchez' Blockade, mit der er mittlerweile zehn Monate lang eine konservative Minderheitsregierung von Premier Mariano Rajoy (PP) verhindert, sei nicht mehr tragbar.
Sogar Spaniens ehemaliger Ministerpräsident und PSOE-Übervater Felipe Gonzalez erklärte, er sei von Sanchez zutiefst enttäuscht. Dieser habe ihn versprochen, sich zum Wohle Spaniens zu enthalten und damit endlich eine Regierung zuzulassen.
Doch sind die patriotischen Gefühle der Sozialisten plötzlich so stark geworden, dass sie auf Kosten ihres eigenen Vorsitzenden dem politischen Gegner an die Macht verhelfen wollen? "Keineswegs. Hinter dem von der andalusischen PSOE angeführten Aufstand gegen Sanchez steckt ein politischer Richtungs- vor allem aber ein Machtstreit zwischen einem konservativen Parteiflügel und dem Sanchez-Blog", versichert der spanische Politologe Antonio Elorza im APA-Gespräch.
Chronik eines angekündigten Todes
Es war die Chronik eines angekündigten Todes. Als Sanchez 2014 zum Generalsekretär gewählt wurde, kannte ihn so gut wie niemand in der Partei. Der 42-jährige Wirtschaftsexperte war ein Parteimitglied aus der zweiten Reihe, saß lediglich im Madrider Stadtrat. Genau deshalb unterstütze ihn Susana Diaz. Mit Hilfe der neuen Ministerpräsidentin Andalusiens, der Sozialisten-Hochburg und bevölkerungsreichsten Region des Landes, konnte sich Sanchez gegen den Favoriten und bekannten PSOE-Parlamentarier Eduardo Madina durchsetzen.
Andalusien stellt die meisten stimmberechtigten Parteimitglieder, die mehrheitlich Sanchez wählten. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass Diaz selber die PSOE leiten will. Doch damals war es strategisch kein günstiger Moment. Sie war erst gerade als Regierungschefin von Andalusien vereidigt worden und die Popularität der Sozialisten war nach den Zapatero-Regierungsjahren vollkommen am Boden", versichert Elorza.
Diaz sah in dem unbekannten Sanchez also den "perfekten Platzhalter", so Elorza. Sanchez wurde sogar explizit unter der Voraussetzung gewählt, nur Generalsekretär, aber nicht automatisch PSOE-Spitzenkandidat bei den nächsten Parlamentswahlen zu werden.
Doch anscheinend unterschätzten Diaz und die mit ihr sympathisierenden Parteibarone den damals 42-jährigen Sanchez. Der "No Name"-Sozialist leitete nämlich selbstbewusst einen Generationswechsel in allen PSOE-Führungsgremien ein und versuchte offensiv die Macht der sozialistischen Länderfürsten zu beschneiden. "Sanchez hatte aber auch kein diplomatisches Geschick, stieß viele Provinzbarone vor die Stirn. Somit hatte er schon von erster Minute an viele Parteigrößen gegen sich", erklärt auch der Politologe Pablo Simon. So boxte Sanchez beispielsweise bei den galicischen Regionalwahlen am vergangenen Sonntag im Machtkampf mit den regionalen Parteispitzen seinen eigenen Kandidaten durch.
Vor allem Sanchez' Versuch, die linkspopulistische Podemos für eine linke Regierungsalternative zu Rajoy zu gewinnen, stieß beim konservativen Parteiflügel um Diaz auf großen Widerstand. Die jüngsten Niederlagen bei den Regionalwahlen im Baskenland und Galicien gaben den mit Sanchez kritischen Länderfürsten und Parteigrößen schließlich das perfekte Argument, sich gegen den umstrittenen Kurs des Generalsekretärs infrage zu stellen.
Doch Sanchez wird "wenn überhaupt, tötend sterben", versichert Simon. Der Parteichef kündigte an, nicht zurücktreten zu wollen und mit den noch verbleibenden und ihm treuen Mitgliedern des Bundesvorstands für den 23. Oktober eine Mitgliedervollversammlung einzuberufen, auf der er sich und seinen politischen Kurs bestätigen lassen will.
Wunden lecken
Der konservative Parteiflügel um Diaz weiß jedoch, dass die Mehrheit der Parteibasis den Widerstand gegen die konservative Minderheitsregierung unterstützt. So tritt die andalusische Regierungschefin nun als Retterin des Parteifriedens auf. "Ich werde die Wunden der Partei wieder schließen", postulierte sich Diaz am Freitag offen als potenzielle neue PSOE-Generalsekretärin. "Das ist ein Putsch nach allen Regeln der Kunst", kommentiert der Politologe Simon.
Während Sanchez bereits einen außerordentlichen Parteikongress für Mitte November plant, um sich für zweite Neuwahlen um Weihnachten in Position zu bringen, zielt der Diaz-Flügel bewusst darauf ab, erst einmal Rajoy zum Zuge kommen zu lassen. "Sie will Zeit gewinnen, um die Partei neu aufzustellen und das in den vergangenen Monaten angekratzte Image zu verbessern. Da sie Rajoy nur mit harten politischen Zugeständnissen regieren lässt, könnte die Rechnung aufgehen", meint Elorza. Danach dürfte Diaz von den sozialistischen Länderfürsten unterstützt in ein oder zwei Jahren die konservative Minderheitsregierung zu Fall bringen und bei vorgezogenen Neuwahlen selber antreten, vermuten politische Beobachter. Doch hierfür müssen sie erst einmal den ehemaligen "No Name"-Politiker Pedro Sanchez aus dem Weg räumen, der durchaus einen Großteil der Parteibasis hinter sich weiß.