Nach einem halben Jahrhundert Gewalt, Elend und Vertreibung zieht Kolumbien einen Schlussstrich unter den ältesten Konflikt Lateinamerikas. Präsident Juan Manuel Santos und der Kommandant der linken Guerillaorganisation FARC, Rodrigo Londono alias "Timochenko", setzten am Montag (Ortszeit) ihre Unterschrift unter einen Friedensvertrag.
"Es gibt einen Krieg weniger auf der Welt - den in Kolumbien", sagte Santos. "Nun soll der Frieden blühen." Rebellen-Chef "Timochenko" sagte: "Der Krieg ist vorbei. Jetzt beginnen wir damit, den Frieden aufzubauen."
Kulli aus Gewehrpatronen
Die einstigen Erzfeinde unterzeichneten das historische Abkommen mit einem aus einer Gewehrpatrone gefertigten Kugelschreiber. "Unsere Vergangenheit wurde mit Kugeln geschrieben, die Bildung wird unsere Zukunft schreiben", war darauf zu lesen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sowie zahlreiche Staats- und Regierungschefs waren zur Vertragsunterzeichnung nach Cartagena gekommen.
Mit dem Friedensschluss geht der älteste Konflikt in Lateinamerika zu Ende. In den Kämpfen zwischen staatlichen Sicherheitskräften, linken Rebellen und rechten Paramilitärs kamen seit Mitte der 1960er-Jahre über 220.000 Menschen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. Das Abkommen muss am kommenden Sonntag noch in einer Volksabstimmung gebilligt werden. Umfragen zufolge liegen die Befürworter des Vertrags vorn.
"Wir machen jetzt Politik ohne Waffen"
"Wir akzeptieren die Gewalt nicht länger als Mittel, um Ideen zu verteidigen", sagte Präsident Santos nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens. "Kein Krieg mehr." Künftige Generationen sollten ihre Energie auf die Entwicklung des Landes richten. "Wir machen jetzt Politik ohne Waffen", sagte "Timochenko". "Wir werden unseren Teil erfüllen und hoffen, dass die Regierung ihren Teil erfüllt."
UN-Generalsekretär Ban sagte, die Opfer des Konflikts seien die Vorkämpfer für den Friedensvertrag gewesen. "Heute ziehen die Kolumbianer einen Schlussstrich unter Jahrzehnte in Flammen und senden ein helles Licht der Hoffnung, das die Welt erhellt", sagte er.
Die Europäische Union strich die FARC von der Terrorliste. "Heute sendet Kolumbien eine Botschaft der Hoffnung an den Rest der Welt", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Zudem kündigte sie die Gründung eines Treuhandfonds mit einem Umfang von 600 Millionen Euro an, an dem sich viele EU-Staaten beteiligen wollten.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: "Kolumbien schreibt heute Geschichte. Das ist ein Grund zur Freude - für die Menschen in Kolumbien und für die ganze Welt. Und es macht Mut für andere auch unlösbar erscheinende gewaltsame Konflikte."
Nicht alle zufrieden
Der Friedensvertrag sieht eine Landreform, neue Ansätze im Kampf gegen den Drogenhandel und eine Entschädigung der Opfer vor. Innerhalb von sechs Monaten sollen die Rebellen nun unter Aufsicht der Vereinten Nationen ihre Waffen niederlegen. Künftig wollen die FARC politisch für ihre Ziele eintreten. In den kommenden zwei Wahlperioden bekommen sie zehn Abgeordnetenmandate garantiert.
In den fast vierjährigen Friedensverhandlungen in Kuba vereinbarten beide Seiten zudem ein eigenes Justizwesen zur Aufarbeitung der Verbrechen des Konflikts. Für politische Straftaten wird eine weitreichende Amnestie gewährt. Wer seine Beteiligung an schweren Verbrechen einräumt, muss mit einer Freiheitsstrafe von höchstens acht Jahren rechnen.
Vor der Vertragsunterzeichnung machten am Montag auch die Gegner des Abkommens mobil. Sie kritisierten vor allem die garantierten Parlamentssitze und die geringen Strafen für die FARC-Rebellen. Der frühere Präsident Alvaro Uribe sagte auf einer Demonstration in Cartagena: "Wir sagen Nein zu den Terroristen, Nein zu diesem schlechten Vertrag."