Die Visafreiheit für die Türkei könnte sich nach Darstellung von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bis zum kommenden Jahr verzögern. Er gehe davon aus, "dass Ende des Jahres oder Anfang 2017 eine Lösung bei der Anti-Terror-Gesetzgebung möglich sein wird", sagte er der Zeitung "Welt" (Mittwochausgabe) einem Vorabbericht zufolge.
Die Regierung in Ankara müsse dabei gewillt sein, die Regeln des Europarates zu befolgen. Die EU werde bei der Vergabe der Visafreiheit weiterhin darauf bestehen, dass rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden. Dies gelte nicht nur für die Türkei, sondern für alle Länder. "Bis auf die Anti-Terror-Gesetze sind momentan alle Punkte lösbar, die Voraussetzung sind für eine visumfreie Einreise von türkischen Bürgern in die EU."
72 Bedingungen für Visafreiheit
Die EU hat Ankara insgesamt 72 Bedingungen für die Visafreiheit gestellt. Mindestens fünf davon sind bisher nicht erfüllt, darunter eine Entschärfung der umstrittenen Anti-Terror-Gesetze, die nicht mehr zur Verfolgung Oppositioneller und von Journalisten eingesetzt werden sollen. Die Türkei hatte gedroht, ohne Visafreiheit das Flüchtlingsabkommen mit der EU platzen zu lassen.
Zugleich räumte Asselborn Versäumnisse der Europäer bei der Reaktion auf den gescheiterten Militärputschversuch von Mitte Juli ein: "Wir haben die Tiefe der Wunde, die in der öffentlichen Meinung in der Türkei nach dem Militärschlag geschlagen wurde, nicht voll erkannt", sagte er. "Die Menschen, die gegen den Putsch auf die Straße gegangen sind, haben auch für Demokratie demonstriert. Das haben wir ein wenig verkannt", betonte Asselborn.