Beschlüsse werden nicht erwartet. Unmittelbar vor dem EU-Gipfel der 27 haben Deutschland und Frankreich einen konkreten Fahrplan zur Stärkung der krisengeplagten EU gefordert. Dabei geht es ihnen um den Schutz vor terroristischen Gefahren, aber auch um die Sicherung des Wohlstands.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Francois Hollande sprachen sich am Donnerstag in Paris für eine "Agenda von Bratislava" aus, die am Freitag in der slowakischen Hauptstadt besprochen werden soll. Hollande und Merkel nannten Prioritäten wie Sicherheit mit neuen Verteidigungskapazitäten, die wirtschaftliche und soziale Zukunft Europas sowie den kulturellen Austausch in der EU.
Frage der Sicherheit
"Europa befindet sich an einem sehr entscheidenden Zeitpunkt", sagte Merkel am Rande des Treffens. "Ich glaube, dass wir eine klare Agenda brauchen." Auf die Schwächen und Aufgaben müsse gemeinsam reagiert werden. Es gebe den Willen, zielstrebiger und schneller zu arbeiten.
Berlin und Paris hatten nach den Terroranschlägen der vergangenen Monate angekündigt, dass sie die militärische Rolle der EU stärken wollen. Ein gemeinsames Konzept schlägt ein militärisches Hauptquartier für EU-Missionen vor. Bereits zuvor hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini einen entsprechenden Plan vorgelegt.
Auch andere führende Europa-Politiker erhoffen sich vom Sondergipfel wichtige Impulse für mehr Zusammenhalt und Handlungsfähigkeit der EU. "Ich erwarte von der Gemeinschaft der 27 das klare Signal, dass wir zusammenbleiben, trotz der Probleme und Streitthemen", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Das wäre in der aktuellen Lage schon ein Erfolg, so der deutsche Sozialdemokrat.
Auch Italiens Außenminister Paolo Gentiloni drängt auf eine gemeinsame Verteidigungsstrategie der EU. "Die Stärkung der europäischen Verteidigung ist ein Schlüsselelement der globalen Strategie der EU", schrieb er im Portal "Politico". Dieser Vorschlag solle beim Gipfel diskutiert werden.
Türkei-Frage
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) will beim Gipfel die Forderung nach einem Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ansprechen. Auch wenn es offiziell nicht viele Partner in dieser Frage gibt, sei die "informelle" Unterstützung für den Vorstoß weitaus größer, erklärte er am Donnerstag beim EU-Hauptausschuss. "Hinter verschlossenen Türen" hätten auch andere Außenminister ihre Zustimmung für ein Aussetzen der Verhandlungen gefordert, berichtete Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP).
Zentral wird aus österreichischer Sicht vor allem die Frage sein, wie man über den Weg von Investitionen für Wachstum und Beschäftigung in der EU sorgen kann, sagte Kerns Sprecherin im Vorfeld der Beratungen. Der Bundeskanzler hatte in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ") am Montag eine Ende der europäischen Austeritätspolitik. Der SPÖ-Chef bekräftigte seine Kritik an Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA und forderte eine massive Erhöhung der öffentlichen Investitionen in der EU.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte dementsprechend am Mittwoch eine Aufstockung und Laufzeitverlängerung des EU-Investitionsfonds EFSI gefordert, dieser soll nun binnen sechs Jahren mindestens 500, vielleicht sogar 630 Mrd. Euro an Investitionen anstoßen. Der gemeinsame Grenzschutz soll ausgebaut und Ein- und Ausreisedaten im gemeinsamen Schengenraum sollen erfasst und mit anderen Datenbanken vernetzt werden, erklärte Juncker im EU-Parlament in Straßburg. EU-Bürger sollen sich nach den Wirtschaftseinbrüchen der vergangenen Jahren, der Flüchtlingskrise 2015 und der Bedrohung durch Extremistenmilizen wie den IS wieder sicherer fühlen.
Reform der EU
Der Gipfel-Gastgeber, der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, erwartet vom Sondergipfel eine "Diagnose" sowie Reformvorschläge für die nach dem Brexit-Votum kränkelnden EU-Institutionen. "Ich bin zuversichtlich, dass auf dem Gipfel ein sehr wichtiger Prozess beginnt, den ich gern den Bratislava-Prozess nennen möchte", sagte er.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte in seinem Einladungsschreiben zum Gipfel gewarnt, dass das Brexit-Votum nicht nur britische Gründe gehabt habe, sondern das Unwohlsein vieler Europäer auch in anderen Mitgliedstaaten zeige. Der Pole forderte unter anderem Maßnahmen, damit sich das "Chaos von 2015" in der Flüchtlingskrise nicht wiederholt.
An den informellen Beratungen in der Slowakei nimmt die britische Premierministerin Theresa May nicht teil. Die Briten hatten in einem Referendum am 23. Juni für einen Ausstieg ihres Landes aus der EU gestimmt. Den offiziellen Antrag will May aber nicht mehr in diesem Jahr stellen, um Zeit für die Vorbereitungen zu gewinnen.