Zwei Tage vor dem EU-Sondergipfel in Bratislava ist die Stimmung in der EU nach wie vor schlecht - dies wurde auch durch die jährliche Grundsatzrede zur Lage der Union von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker augenscheinlich. Juncker bezeichnet die EU in seiner Ansprache vor dem EU-Parlament in Straßburg als "nicht sozial genug". Dies sehe man vor allem in der Flüchtlingsfrage. Generell agiere die EU seit Monaten "nicht in Topform" - durch den Brexit allerdings, versichert Juncker, sehe er den Bestand der EU nicht gefährdet.

Es gebe zwar im Vergleich zu seiner Rede vor einem Jahr Fortschritte, doch lasse die Lage der EU weiter zu wünschen übrig. "Einiges lässt vermuten, dass wir in Teilen mit einer existenziellen Krise der EU zu tun haben. Die Zahl der Bereiche, wo wir nicht spontan zusammenfinden, ist zu groß und wo wir solidarisch zusammenarbeiten, zu klein". Allzu oft werde exklusiven Nationalinteressen die Vorfahrt eingeräumt.

"Nationalstaaten nicht plattwalzen"

Die europäische Integration dürfe aber "nicht zulasten der Nationen forciert" werden. "Die Brechstange ist kein Instrument der europäischen Einigung", so Juncker. "Europa darf nicht zum Schmelztiegel, zum farblosen uniformen Integrationsmagma werden", forderte er. Europa lebe von seiner Vielfalt. "Die Kommission hat nicht vor, die Nationalstaaten platt zu walzen".

In Anspielung auf die jüngste Kritik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban erklärte Juncker: "Wir sind keine Nihilisten, auch keine Antichristen, keine Zertrümmerer, keine Zerstörer. Wir sind Konstrukteure, die ein besseres Europa wollen". Dazu zähle auch die Jugendgarantie. Er akzeptiere nicht die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Der Kommissionspräsident warnte in seiner Rede, dass sich "Europa auf dem Weg der Verstaatlichung" befinde. Aber "es darf und wird nie ein Einheitsstaat werden. Aber all zu oft entstehen Brüche, Fragmentierungen dort, wo wir eine Union bräuchten. Das eröffnet dem galoppierenden Populismus Räume, in dem es kein Miteinander geben kann. Populismus löst keine Probleme, im Gegenteil schafft es Probleme. Dagegen müssen wir uns wehren".