Die Waffen schweigen, doch die erhoffte Hilfe lässt auf sich warten. Die von den USA und Russland ausgehandelte Feuerpause für Syrien ist am Dienstag weitgehend eingehalten worden. Unter anderem aus der zuletzt besonders umkämpften Stadt Aleppo berichteten AFP-Korrespondenten am Abend, dass 24 Stunden lang kein Schuss gefallen sei.Bei den Einwohnern herrschte Erleichterung, zugleich warteten sie aber verzweifelt auf dringend benötigte Hilfsgüter.

Der UN-Gesandte für Syrien, Staffan de Mistura, konstatierte am Dienstagabend einen "deutlichen Rückgang" der Gewalt. "Die Situation hat sich drastisch verbessert", erklärte er in Genf. Die neue Waffenruhe war am Montagabend mit Einbruch der Dunkelheit in Kraft getreten. Die Menschen in Aleppo nutzten dies, um das islamische Opferfest Eid al-Adha zu feiern.

Zugleich warteten sie auf Hilfe. "Im Fernsehen haben sie gesagt, dass es Hilfslieferungen geben wird", sagte Mohammed. "Aber jetzt sind schon 20 Stunden vorbei und wir haben noch nichts bekommen." Ähnlich äußerte sich der 55-Jährige Abu Jamil im Stadtviertel Ansari. "Die Waffenruhe ist gut, aber das reicht nicht. Wir brauchen etwas zu essen." Insgesamt sind geschätzt rund 250.000 Menschen in Aleppo seit Monaten ohne Versorgung, weil ihre von Rebellen gehaltenen Stadtviertel von Regierungstruppen belagert werden.

Trotz der akuten Not lieferte die UNO zunächst keine Hilfe aus. Ein Sprecher der UN-Organisation für humanitäre Hilfe (OCHA) sagte am Abend, kein Konvoi habe sich auf den Weg nach Syrien gemacht oder sei innerhalb des Landes unterwegs. Die UNO will die Hilfslieferungen erst wieder aufnehmen, wenn sie Sicherheitsgarantien hat. De Mistura forderte in Genf "Garantien, dass die Fahrer und die Konvois nicht angerührt werden".

Zuvor hatte die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, 20 Lastwagen mit Hilfslieferungen der Vereinten Nationen für Aleppo hätten die türkisch-syrische Grenze passiert. Diese Informationen wurden jedoch von der UNO nicht bestätigt. Das syrische Außenministerium hatte zuvor gewarnt, alle Hilfslieferungen mit Ziel Aleppo, vor allem aus der Türkei, müssten mit Damaskus koordiniert werden.

Die Vereinbarungen zur Waffenruhe sehen vor, dass sich die Regierungstruppen rund um Aleppo zurückziehen und humanitären Helfern Zugang gewähren. Russland entsandte am Dienstag eine militärische Beobachtermission nach Aleppo. Die Soldaten postierten sich nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen an der Castello Road, einer wichtigen Versorgungsroute für die Stadt, über die auch die Hilfskonvois fahren müssten.

Neben Aleppo blieb die Lage auch in der Hauptstadt Damaskus und anderen Landesteilen ruhig. Russland bescheinigte den mit ihm verbündeten syrischen Regierungstruppen die Einhaltung der Waffenruhe. Diese hätten "das Feuer komplett eingestellt, mit Ausnahme der Gebiete, in denen Kämpfer des Islamischen Staates und der Al-Nusra-Front aktiv sind". Die Rebellen hätten hingegen "23 Mal" die Waffenruhe gebrochen. Auch syrische Staatsmedien warfen den Rebellen vereinzelte Verstöße gegen die Waffenruhe in Homs und südlich von Aleppo vor.

Die Aufständischen haben sich bisher nicht offiziell hinter die Vereinbarung zur Waffenruhe gestellt, die US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow ausgehandelt hatten. Kerry sprach nach Beginn der Waffenruhe von der "vielleicht letzten Chance", Syrien zu retten. Hat die Waffenruhe eine Woche lang Bestand, wollen die USA und Russland ihren Kampf gegen Dschihadisten in Syrien koordinieren.

Ein vorheriger Waffenstillstand, den die Konfliktparteien am 27. Februar ebenfalls unter Vermittlung der USA und Russlands vereinbart hatten, war nie vollständig eingehalten worden und nach mehreren Monaten zerbrochen. In dem seit März 2011 andauernden syrischen Bürgerkrieg wurden nach Angaben von Aktivisten inzwischen mehr als 300.000 Menschen getötet, unter ihnen mehr als 86.000 Zivilisten.