Auch US-Außenminister John Kerry zeigte sich vorsichtig optimistisch. Die Vereinbarung soll zunächst für 48 Stunden gelten. Die syrische Armee erklärte kurz nach Inkrafttreten der Feuerpause, sie werde diese im ganzen Land für sieben Tage einhalten. Russland als Verbündeter von Syriens Präsident Bashar al-Assad forderte die USA auf, bei den Rebellengruppen für eine Wahrung der Waffenruhe zu sorgen. Das Außenministerium in Moskau kündigte zudem an, Hilfslieferungen für die Menschen im umkämpften Aleppo sollten in Kürze starten.
Die Waffenruhe, auf die sich die USA und Russland am Samstag nach zähen Verhandlungen geeinigt hatten, trat am Tag des muslimischen Opferfestes Eid al-Adha um 18.00 Uhr MESZ in Kraft. Sie soll sowohl die Versorgung der notleidenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ermöglichen als auch den Weg für einen neuen diplomatischen Versuch zur Lösung des Konflikts ebnen. Allerdings sollen Islamisten-Milizen wie der "Islamische Staat" (IS) weiterhin angegriffen werden.
Die Waffen schwiegen
In den meisten Landesteilen schwiegen die Waffen, sagte der Leiter der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, Rami Abdulrahmen. Im Südwesten des Landes habe es allerdings Artilleriebeschuss sowohl vonseiten der Regierungstruppen als auch von den Rebellen gegeben. Die Organisation verfügt über ein Informationsnetzwerk in Syrien. Ihre Angaben lassen sich unabhängig nicht verifizieren.
US-Außenminister John Kerry, der die Feuerpause mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ausgehandelt hat, sagte, erste Berichte deuteten auf einen Rückgang der Kämpfe hin. Es sei noch zu früh um beurteilen zu können, wie wirksam die Abmachung sei.
Die syrische Armee kündigte an, sich an das Abkommen halten. Sie behalte sich aber das Recht vor, auf Verletzungen der Vereinbarung durch bewaffnete Gruppen zu reagieren. Vonseiten der Aufständischen gab es zunächst kein offizielles Bekenntnis zu der Feuerpause. Aus ihren Reihen verlautete aber, dass sie sich trotz aller Bedenken daran halten wollen. Die Rebellen befürchten, dass das Abkommen Assad einen Vorteil in dem Konflikt verschaffen könnte.
Kompromisse
Assad hatte unmittelbar vor Beginn der Feuerpause Kompromisse mit den Rebellen ausgeschlossen und die Herrschaft über das ganze Land beansprucht. "Der syrische Staat ist entschlossen, alle Gebiete von den Terroristen zurückzuerlangen und wieder aufzubauen", hieß es in einer von den staatliche Medien im Internet veröffentlichten Erklärung. Damit scheint der Weg zu einer Verhandlungslösung verbaut, obwohl Assads Verbündeter Russland zu neuen Friedensgesprächen aufrief.
Assad wählte für seinen Machtanspruch einen symbolischen Ort: Er besuchte anlässlich muslimischen Opferfestes Eid al-Adha demonstrativ eine Moschee in Daraya, einem südwestlichen Stadtteil von Damaskus. Der Vorort der Hauptstadt steht beispielhaft für die Erhebung gegen den Präsidenten. Die Aufgabe der Stadt vor einem Monat nach Jahren der Belagerung gilt als große Niederlage der Rebellen.
Die Armee werde ihre Arbeit "ohne Verzögerung, ungeachtet aller nationaler oder auswärtiger Umstände" fortsetzen, kündigte Assad an, ohne die Waffenruhe zu erwähnen. Sein selbstbewusstes Auftreten markiert seine Konsolidierung im syrischen Machtgefüge, seitdem die russische Luftwaffe seine Bodentruppen unterstützt und den Rebellen empfindliche Verluste beigebracht hat.
Russland drängte auf weitere Schritte über die Feuerpause hinaus und forderte neue Friedensgespräche, die schon Anfang Oktober stattfinden könnten. Die erste Runde von Gesprächen unter UN-Vermittlung hat trotz mehrerer Treffen in Genf nicht zu einem Stopp der Kämpfe geführt. Auch damals gab es eine Waffenstillstands-Vereinbarung, die jedoch nicht eingehalten wurde. An den im Frühjahr gescheiterten Verhandlungen waren auch Vertreter regionaler Mächte wie Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei beteiligt.
Mehrere Rebellengruppen, darunter die Kurdenmiliz YLP, signalisierten, die Waffenruhe zu respektieren. Eine der größten islamistischen Rebellengruppen, die Ahrar al-Scham, kritisierte das Abkommen scharf, lehnte es aber nicht direkt ab.
Ein besonderes Problem stellt die Rebellengruppe Fatah al-Sham dar. Sie ist die Nachfolge-Organisation der islamistischen Al-Nusra-Front. Im Kampf gegen Regierungstruppen um Aleppo spielt sie aufseiten der Rebellen eine dominierende Rolle. Sie ist jedoch nicht Teil der Waffenruhe.
Die Türkei kündigte an, mehr als 30 Lastwagen mit Hilfsgütern nach Syrien zu schicken, sobald die Waffenruhe greife. Die Vereinten Nationen (UN) und die türkische Hilfsorganisation des Roten Halbmonds würden Lebensmittel, Kinderkleidung und Spielzeug vor allem nach Aleppo bringen, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Wenn die 48-stündige Waffenruhe halte, könne sie verlängert werden. Ziel sei ein "Frieden erster Klasse". Die türkische Offensive gegen den IS im Norden Syriens werde aber fortgesetzt. Zuletzt hatte die Türkei ihre Angriffe vor allem auf Kurden-Milizen konzentriert.