In Kroatien ist Sonntag früh die vorgezogene Parlamentswahl angelaufen. 3,8 Millionen Wähler sollen über eine neue Regierung entscheiden, nachdem die alte schon nach fünf Monaten auseinandergebrochen war. Alle Umfragen rechnen mit einem ganz ähnlichen Ergebnis wie beim letzten Mal.

Die beiden Großparteien, die Nationalkonservativen (HDZ) und die Sozialdemokraten (SDP), dürften danach annähernd gleichauf liegen. In den Umfragen lag zuletzt zwar das von den Sozialdemokraten (SDP) geführte Wahlbündnis knapp vor der regierenden nationalkonservativen HDZ, doch keine der Großparteien wird allein regieren können.Die Entscheidung fiele dann durch die neue Reformpartei Most (Brücke), die bei der Abstimmung vor zehn Monaten auf Anhieb den dritten Platz erobern konnte.

Der eigentliche Kampf um die Macht wird sich also wieder nach dem Wahlsonntag abspielen, wenn die beiden Lager um potenzielle Koalitionspartner ringen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass dies zu einer neuen instabilen Regierung führen könnte.

Politische Beobachter schreiben der HDZ ein größeres Koalitionspotenzial als der SDP zu, auch wenn das Linkslager laut Prognosen die Wahl gewinnen sollte. Das ist nicht unbedeutend, denn der Auftrag für die Regierungsbildung geht nicht automatisch an den relativen Wahlsieger, sondern an denjenigen, der sich die Unterstützung von 76 der 151 Mandate im Sabor sichern kann.

Auch die jüngste Umfrage des Privatsenders Nova TV zeigt ähnlich wie zwei anderen Prognosen aus vergangener Woche einen kleinen Vorsprung der linksgerichteten Opposition vor den Konservativen. Das SDP-Bündnis würde demnach 55 der 151 Sitze im Parlament besetzen, die HDZ insgesamt 53 Sitze. Die Reformpartei Most (Brücke) würde zwölf Mandate stellen.

Gegenüber der Wahl im Dezember gibt es kaum eine Veränderung. Entscheidend für die Regierungsbildung wird wieder Most sein. Die Neopartei, die im Vorjahr auf Anhieb drittstärkste Kraft wurde, wird den Umfragen zufolge heuer ein schlechteres Resultat erzielen. Dennoch soll sie den dritten Platz halten und damit die Bildung der Regierung mitbestimmen können.

Das größere Koalitionspotenzial hat Experten zufolge die HDZ. Obwohl die HDZ-Most-Regierung nach nur fünf Monaten zerfallen war, gilt eine Neuauflage dieser Koalition als wahrscheinlicher als eine SDP-Most-Koalition.

Die HDZ, die traditionell mit drei zusätzlichen Mandaten aus der Diaspora rechnen kann, könnte noch weitere Partner an ihre Seite bekommen. So soll sie diesmal auch mit Unterstützung der Minderheiten rechnen können, für die acht Sitze im Parlament reserviert sind. Vor allem die Vertreter der serbischen Minderheit könnten sich diesmal für die HDZ entschieden, nachdem sich SDP-Chef Zoran Milanovic in seiner stark nationalistisch geprägten Wahlkampagne mit dem Nachbarland Serbien angelegt hat. Auch die populistische Partei des Zagreber Bürgermeisters Milan Bandic, der laut einer Umfrage von Nova TV auf sieben Sitze im Parlament kommen könnte, dürfte ähnlich wie im Vorjahr mit HDZ ziehen.

Für das SDP-Bündnis bleiben hingegen nur wenige Partner im Spiel. Schon traditionell stimmt die regionale istrische Partei IDS, die auf drei Mandate kommen soll, mit den Sozialdemokraten. Die aktivistische Protestpartei "Zivi zid" (Lebende Mauer), die laut Umfragen die größte Überraschung dieser Wahl werden könnte, will jedoch an keiner Regierung teilnehmen. "Zivi zid", bisher im Parlament mit einem Abgeordneten vertreten, darf auf acht Mandate hoffnen.

Ins Parlament wird laut Umfragen wieder die extrem rechte HDSSB des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Branimir Glavas einziehen. Die Umfrage gibt ihr ein Mandat. Auch die Partei "Pametno" (Vernünftig) könnte es mit einem Abgeordneten in den Sabor schaffen.