Nach vierjähriger Belagerung hat die syrische Armee nach eigenen Angaben wieder die Kontrolle über die einstige Rebellenhochburg Daraya übernommen. Die Regierungstruppen seien "in die gesamte Stadt vorgedrungen", sagte ein Militärvertreter am Samstag AFP. Das Staatsfernsehen berichtete, die "Akte Daraya" sei geschlossen.
Offensive fortgesetzt
Bei einem Fassbombenangriff auf den Ostteil der bitter umkämpften Metropole Aleppo wurden unterdessen mindestens 15 Zivilisten getötet. Die Türkei setzte ihre Offensive in Nordsyrien fort. Bei einem Raketenangriff auf zwei türkische Panzer im Norden Syriens wurde ein türkischer Soldat getötet, drei weitere wurden verletzt. Nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Dogan und des Senders NTV wurden die Panzer am Samstag in der Nähe des Grenzorts Jarablus getroffen.
Den Grenzort hatten protürkische Rebellen am vergangenen Mittwoch mithilfe der türkischen Armee aus der Hand der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) erobert. Der Soldat ist demnach das erste Todesopfer seit Beginn der türkischen Bodenoffensive im Nachbarland.
Unter Dauerbeschuss
Daraya liegt nahe Damaskus und war seit 2012 von Regierungssoldaten umzingelt. Fortan stand die Stadt unter Dauerbeschuss, und die katastrophale humanitäre Lage zwang die Aufständischen schließlich zu einem Abkommen mit der syrischen Führung über die Evakuierung der Stadt. Die syrische Armee kontrolliere Daraya nun vollständig, sagte der Militärvertreter. "Es gibt keinen einzigen Bewaffneten mehr."
Das Staatsfernsehen meldete die "Evakuierung aller Zivilisten, Bewaffneten und ihrer Familien gemäß der Vereinbarung". Es zeigte Bilder von Militärfahrzeugen in Daraya, das vor fünf Jahren zu den ersten Städten gehörten, die sich gegen die syrische Führung erhoben. Die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" erklärte, der "letzte Konvoi mit Rebellen und Zivilisten" habe Daraya am Samstag verlassen.
Auf Evakuierung geeinigt
Die Zivilisten seien zu Unterkünften im Westen der Hauptstadt Damaskus gebracht worden, teilte die Beobachtungsstelle mit. Etwa 800 Kämpfer seien zudem in die von Rebellen beherrschte Provinz Idlib verbracht worden.
Der Einigung zufolge sollten die bewaffneten Rebellen in die ebenfalls von bewaffneten Regierungsgegnern beherrschte Stadt Idlib ziehen. Gleichzeitig sollten tausende Zivilisten in Auffanglager der Regierung außerhalb der Stadt wechseln. Wie viele Menschen Daraya letztlich verließen, blieb zunächst unklar.
Die syrische Regierung und Aufständische hatten sich Mitte der Woche nach mehrtägigen Verhandlungen auf die Evakuierung geeinigt. Daraya war seit 2012 von der Armee belagert worden. Etwa 8.000 Menschen harrten dort zuletzt aus. Im Juni hatte erstmals nach knapp vier Jahren ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmitteln den Ort erreicht.
Krankenwagen komplett zerstört
Unterdessen meldete die Beobachtungsstelle, die ihre Angaben von einem dichten Netzwerk an Informanten in Syrien bezieht, einen Regierungsangriff auf den Rebellenbezirk Maadi im Osten von Aleppo. Ein AFP-Reporter vor Ort berichtete, dass zunächst eine Bombe niederging. Als die Menschen zusammenliefen, um sich um die Opfer zu kümmern, schlug eine weitere Bombe ein. Ein Krankenwagen wurde komplett zerstört. Mindestens 15 Menschen wurden getötet und dutzende weitere verletzt.
Die Lage in Aleppo, der einstigen Wirtschafts- und Kulturmetropole des Landes, ist verheerend. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura forderte von den Konfliktparteien bis zum Sonntag Antworten auf eine geplante 48-stündige humanitäre Feuerpause in Aleppo. Die UNO habe Hilfsgüter für zunächst 80.000 Menschen herangeschafft und stehe bereit zur Verteilung.
Mit 60 Panzern präsent
Die Türkei setzte unterdessen ihre Offensive in Nordsyrien fort. Ein AFP-Reporter beobachtete im türkischen Ort Karkamis, wie sechs Panzer die Grenze nach Syrien überquerten. Die türkische Zeitung "Hurriyet" berichtete, Ankara sei mittlerweile mit 60 Panzern und 380 Soldaten in Syrien präsent.
Im syrischen Al-Amarne lieferten sich türkische Panzer schwere Zusammenstöße mit örtlichen arabischen und turkmenischstämmigen Kämpfern, die von kurdischen Kräften unterstützt werden. Es seien die ersten derartigen Gefechte seit dem Beginn der türkischen Offensive in Syrien, erklärte die Beobachtungsstelle. Ein Vertreter der halbautonomen Kurdengebiete in Syrien bestätigte die Gefechte.
Gegen den IS und YPG
Die Türkei richtet ihre Offensive gegen die Jhihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS), aber auch gegen Stellungen der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die Ankara ebenfalls als Terrororganisation betrachtet. Prokurdische Rebellen in Syrien erklärten, sie seien das Ziel türkischer Luftangriffe am Morgen gewesen.
Die Außenminister der USA und Russlands verständigten sich unterdessen grundsätzlich auf Schritte zu einer Waffenruhe in Syrien. Nach der Grundsatzeinigung am Freitagabend zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow wollen Experten beider Länder in den kommenden Tagen in Genf noch offene Fragen klären. Die USA und Russland unterstützen in Syrien entgegengesetzte Seiten. Der bisherige Waffenstillstand war von Anbeginn brüchig.