Ein Kind zwischen 12 und 14 Jahren soll den blutigen Anschlag von Gaziantep auf eine kurdische Hochzeitsgesellschaft verübt haben, bei dem am Samstagabend mindestens 51 Menschen getötet und 69 weitere verletzt wurden. Das Attentat in der südosttürkischen Stadt, das die türkische Regierung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zuschreibt, löste am Sonntag international Entsetzen aus.
Zunächst blieb unklar, ob sich das Kind selbst in die Luft sprengte oder ob der Sprengsatz per Fernzünder ausgelöst wurde. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, es könne sich um einen "Selbstmordattentäter" gehandelt haben, der sich in die Luft gesprengt habe oder "gesprengt wurde". Erste Hinweise deuteten darauf hin, dass der IS Drahtzieher des Anschlags war.
"Wo auch immer der Terror herkommt, das ändert für uns nichts", so Erdogan. "Als Nation wenden wir unsere gesamte Kraft an, vereint, Hand in Hand, um gegen den Terrorismus zu kämpfen, so wie wir es am 15. Juli getan haben", ergänzte er mit Blick auf die Niederschlagung des Militärputsches.
Anschlag auf Kurden
Der Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, sagte, das Ziel seien Kurden und der Bräutigam, ein HDP-Mitglied, gewesen. Nach Medienberichten überlebten Braut und Bräutigam verletzt. Unter den Toten seien viele Kinder. Im Beybahce-Viertel der Millionenstadt an der türkisch-syrischen Grenze wohnen viele aus den Südostprovinzen zugezogene Kurden. Der Anschlag war bei den Feierlichkeiten auf offener Straße verübt worden.
Die türkische Regierung hatte den IS in der Vergangenheit für zahlreiche Anschläge im Land verantwortlich gemacht. Mehrmals waren offenbar Kurden das Ziel. Der IS bekannte sich jedoch zu keinem der Bombenattentate in der Türkei. Die Terrormiliz übernahm dagegen in der Vergangenheit die Verantwortung für Morde an syrischen Oppositionellen in Gaziantep.
Die gleichnamige Provinz grenzt an das Bürgerkriegsland Syrien. Auf der syrischen Seite kontrolliert der IS ein großes Gebiet. In den vergangenen Monaten waren aber auch die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), ein wichtiger Partner des Westens, in Nordsyrien vorgerückt. IS-Kämpfer mussten sich in das syrisch-türkische Grenzgebiet zurückziehen. Ein weiteres Vorrücken der YPG ist Erdogan jedoch ein Dorn im Auge. Dadurch könnten Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im eigenen Land befeuert werden, so die Befürchtung Ankaras.
Erdogan verurteilte den Anschlag und sagte, in der Vergangenheit sei die Polizei schon gegen IS-Zellen in Gaziantep vorgegangen. Er kündigte an: "Natürlich werden unsere dortigen Sicherheitskräfte diese Einsätze noch intensiver fortsetzen." Er sagte, die Urheber des Anschlags versuchten, das Volk gegeneinander aufzubringen, indem sie "ethnische und religiöse Empfindlichkeiten" für ihre Zwecke nutzten. Damit hätten sie keinen Erfolg. Er machte dabei keinen Unterschied zwischen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, der für Erdogan hinter dem Putschversuch vom 15. Juli steckt, und dem IS.
EU bekundete Solidarität mit Türkei
Die EU-Kommission sicherte der Regierung in Ankara Solidarität und verstärkte Zusammenarbeit im Kampf gegen Terror zu. "Wir sind zusammen in einem gemeinsamen Kampf", erklärten die Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Die türkische Regierung hatte der EU zuletzt fehlende Solidarität vorgehalten, vor allem nach dem gescheiterten Putsch Mitte Juli. In den vergangenen Wochen stritten Brüssel und Ankara offen über die türkischen Anti-Terror-Gesetze, die avisierte Visafreiheit für Türken in der EU und die Perspektive eines türkischen EU-Beitritts. Auch die NATO sicherte der Regierung in Ankara Solidarität zu. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte in Brüssel: "Wir stehen in dieser schwierigen Zeit in Solidarität vereint mit unseren türkischen Verbündeten."
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte den "abscheulichen Terroranschlag" auf die Hochzeitsgesellschaft. Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Christine Muttonen (SPÖ), zeigte sich "zutiefst traurig über den entsetzlichen Angriff". "Erneut sind unschuldige Männer, Frauen und Kinder zum Opfer feiger und hinterhältiger Gewalt geworden", schrieb die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihrem türkischen Amtskollegen Binali Yildirim. Und auch der französische Präsident Francois Hollande verurteilte den "schändlichen Anschlag".
Reisewarnung des Außenministeriums
Das Außenministerium in Wien rät von Reisen in das türkische Grenzgebiet zu Syrien und zum Irak ab und nennt auf seiner Homepage dabei auch Gaziantep. Im Osten und Südosten kam es in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen mit zahlreichen Todesopfern und Verletzten.