Wenn sehr viele Flüchtlinge kämen, sei es aber selbstverständlich denkbar, "dass der eine oder andere von ihnen ebenfalls für solche Ideologien anfällig ist", so Kanzleramtsminister Peter Altmaier. Bei dem Attentäter, der am Montagabend in einem Regionalzug bei Würzburg Mitreisende mit Axt und Messer angegriffen hatte, handelte es sich nach bisherigen Erkenntnissen um einen 17-Jährigen aus Afghanistan. Bei der Attacke waren fünf Menschen verletzt worden, zwei von ihnen schwebten in der Nacht zum Mittwoch noch in Lebensgefahr. Der Attentäter wurde erschossen, als er auf der Flucht Polizisten angriff.

In einer Videobotschaft bezeichnete er sich als Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat. Das bayerische Innenministerium bestätigte die Echtheit des Videos am Dienstagabend. "Im Namen Gottes, ich bin ein Soldat des IS und beginne eine heilige Operation in Deutschland", sagt der 17-Jährige darin. Wann sich der junge Mann radikalisierte und inwieweit er tatsächlich mit dem IS vernetzt war, ist bisher unklar. Den Sicherheitsbehörden war er nie aufgefallen.

Hongkonger-Familie verletzt

In einem Regionalzug verletzte der junge Mann vier Mitglieder einer Familie aus Hongkong, auch eine Passantin, der er auf seiner Flucht begegnete, kam ins Krankenhaus. Ein Mitglied der Hongkonger Familie schilderte mittlerweile Einzelheiten der Tat: Zuerst sei der Angreifer auf den Freund ihrer Schwester losgegangen, sagte die 30-jährige Sylvia, die selbst aber nicht an der Reise teilgenommen hatte, der Hongkonger Zeitung "Apple Daily". "Als meine Mutter und mein Vater das sahen, stellten sie sich in den Weg und wurden dabei verletzt."

Der 30-jährige Freund der Schwester sowie der 62 Jahre alte Vater befinden sich dem Bericht zufolge mit schweren Kopfverletzungen auf der Intensivstation. Auch die 58-jährige Mutter und die 26-jährige Schwester wurden schwer verletzt. Eine weitere Schwester im Alter von 17 Jahren blieb demnach unverletzt.

Hermann versus Altmaier

"Entscheidend bleibt, wir müssen wieder eine stärkere Kontrolle überhaupt über alles behalten, was in unser Land kommt", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Dienstagabend in der ARD. "Wir müssen auch den Zuzug begrenzen und dadurch dann in der Lage sein, uns mit denen, die da sind, denen, die auch wirklich fluchtberechtigt sind, dann auch intensiv zu befassen und alles dafür zu tun, dass die nicht derartig aus dem Ruder laufen."

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) betonte hingegen im ZDF: "Die meisten Terroristen, die in den letzten Monaten in Europa Anschläge begangen haben, waren keine Flüchtlinge, sondern Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind." Alle Erkenntnisse aus den vergangenen zwölf Monaten deuteten darauf hin, dass die Gefahr des Terrorismus bei Flüchtlingen "nicht größer und nicht kleiner ist als in der übrigen Bevölkerung".

Altmaier kündigte einen stärkeren Kampf gegen islamistische Propaganda im Internet an. Man müsse verhindern, "dass junge Menschen in besonderen Notsituationen ihre Zuflucht suchen bei Hetzern und Terroristen", sagte er. Dazu sei er bereits im Gespräch mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch.

Neue Flüchtlingswelle befürchtet

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, auch die ideologische Auseinandersetzung mit dem radikalen Islam zu suchen. "Es ist besonders perfide, dass der IS ganz bewusst versucht, Verunsicherung in die deutsche Gesellschaft zu tragen - mit dem Ziel, Nachwuchs zu rekrutieren", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe).

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl befürchtet wegen der Säuberungswellen in der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Fluchtbewegung aus dem Land. "Wenn die Lage sich weiter verschlechtert und die Hexenjagd gegen jegliche Opposition in der Türkei weitergeht, dann wird es eine Flüchtlingsbewegung Richtung Europa geben", sagte der stellvertretende Pro-Asyl-Geschäftsführer Bernd Mesovic der "neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). Dabei könnte Deutschland aufgrund seiner großen türkischen Gemeinde eines der Ziele sein. "Hier gibt es ja bereits eine türkische Gemeinde, die türkische Bürger anziehen wird", so Mesovic.

Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, ist das Bildungsniveau der Flüchtlinge in Deutschland ist laut "Bild"-Zeitung geringer als erhofft. Zu diesem Ergebnis komme ein Bericht der Bundesagentur für Arbeit (BA), berichtete das Blatt vorab aus seiner Mittwochausgabe. Demnach haben von den 297.000 Ende Juni als arbeitssuchend gemeldeten Flüchtlingen nur 25,8 Prozent Matura. 73,9 Prozent hätten keine Berufsausbildung. 57,9 Prozent kämen lediglich für Hilfstätigkeiten infrage, nur vier Prozent seien für Expertentätigkeiten geeignet.