Die Botschaft aus Brüssel klingt entschlossen und klar. "Kein Land kann Mitgliedstaat der EU werden, wenn es die Todesstrafe einführt", warnt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die Türkei beim Treffen der EU-Außenminister. Ein Putschversuch könne für die Führung um Präsident Recep Tayyip Erdogan keine Entschuldigung dafür sein, Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien zu missachten.
Im Interesse des türkischen Volkes werde die Europäische Union die Entwicklungen äußerst wachsam verfolgen, versprach Mogherini. Wie weit die EU-Staaten gehen werden, um den Aufbau eines autoritären Systems in der Türkei zu verhindern, bleibt allerdings bis auf weiteres unklar.
Konsequenzen für das Flüchtlingsabkommen
Mogherini sagt zwar deutlich, dass ein Land, in dem die Abschaffung der Todesstrafe rückgängig gemacht wird, nicht Mitglied der EU werden kann. Eine Antwort auf die Frage, ob ein solcher Schritt möglicherweise Konsequenzen für das Flüchtlingsabkommen und andere Bereiche der Zusammenarbeit nach sich ziehen könnte, bleibt sie jedoch schuldig.
Glaubwürdig wäre vermutlich ohnehin nur ein klares Nein gewesen. Neben Mogherini steht an diesem Montag nämlich ausgerechnet US-Außenminister John Kerry auf dem Podium - und damit ein Vertreter eines Staates, der sich in Sachen Todesstrafe nichts von der EU sagen lässt. Die EU hindert das bisher nicht daran, eine noch engere Zusammenarbeit mit den USA zu suchen - zum Beispiel über das geplante Freihandelsabkommen TTIP.
Doch auch abseits des Themas Todesstrafe bleibt die EU vage. Keine klare Antwort gibt es am Montag auf die Frage, was passieren soll, wenn die Regierung in Ankara bei der Verfolgung von mutmaßlichen Unterstützern des Putsches dauerhaft Willkür walten lassen sollte. In der Flüchtlingskrise, aber auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat ist die Türkei für die EU-Länder und auch die USA ein wichtiger Partner. Man gehe davon aus, dass das Abkommen zur Rücknahmen von Flüchtlingen aus Griechenland weiter gelte, heißt es am Montag in Brüssel.
Kampf gegen IS
Auch die von türkischem Boden gestarteten Einsätze im Kampf gegen den IS laufen unverändert. Die USA fliegen von Incirlik aus Luftangriffe gegen die Terrormiliz. Die ebenfalls auf dem südtürkischen Stützpunkt stationierten Bundeswehrsoldaten flogen am Montag nach zweitägiger Zwangspause wegen des gescheiterten Putschversuchs wieder Einsätze.
Wie schwierig die Diskussionen der kommenden Woche und Monate werden dürften, lässt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Montag durchblicken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Türkei wie von der EU verlangt Änderungen am Strafrecht und an Anti-Terror-Gesetzen vornehme, dürfte nach dem Putschversuch noch einmal gesunken sein, räumt der SPD-Politiker am Rande des EU-Treffens ein.
Diese Feststellung birgt weiteren politischen Sprengstoff. Die EU-Staaten wollen türkischen Bürgern nur dann die lang ersehnte Visumfreiheit gewähren, wenn dafür sichergestellt wird, dass Anti-Terror-Gesetze nicht gegen politische Gegner missbraucht werden können. Aus der Türkei hingegen kam bereits die Drohung, sämtliche Abkommen mit der EU aufzukündigen, wenn die EU-Staaten ihren Bürgern kein visumfreies Reisen ermöglicht.
Was die EU jetzt fürchten muss, spricht der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault aus: Ein Land, das der Demokratie den Rücken kehrt und von einem autoritären Regime regiert wird.