Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hat indirekt Kritik an den Vorwürfen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gegen Österreich in Sachen CETA-Handelsabkommen der Union mit Kanada geübt. Juncker hatte von "österreichischem Klamauk" gesprochen. Schützenhöfer sagte, "so kenne ich Jean-Claude nicht". Nach einer Landesregierungssitzung in Brüssel erklärte Schützenhöfer: "So etwas rutscht ihm heraus, er ist sehr angespannt." Allerdings würden "gerade durch solche Äußerungen die Menschen aufgebracht. Das ist der Punkt. Kein Mensch kennt sich aus. Jeder schimpft über jeden, das geht zulasten der EU. Das werde ich ihm sagen, aber nicht, um mit Juncker einen großen Streit anzufangen."
Schützenhöfer sieht in Freihandelsabkommen wie CETA oder dem umstrittenen TTIP-Abkommen mit den USA "auch viele Chancen". Aber "solange darüber gestritten wird, ist das ein gemischtes Abkommen, braucht es die Zustimmung nationaler Parlamente, wir wollen da mitreden oder braucht es das nicht. Solange die Probleme so aufgeschaukelt werden, bekommen die Leute Angst". Dann sei es auch "ganz schwer, Europa den Bürgern als alternativlos darzustellen. Das Europa der Union ist ohne Alternative", betonte der Landeshauptmann.
Juncker selbst ruderte am Tag nach seiner Aussage zurück: "Die Kommission hat ein Gutachten, dass klarstellt, dass die Ceta-Entscheidung eine reine EU-Zuständigkeit ist." Die besitze die exklusive Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik, die Agrar- und Fischereipolitik. Auf diesen Feldern dürfe die EU-Kommission als "Rechtsperson" Abkommen mit Drittländern abschließen. In allen anderen Bereichen dagegen werden internationale Abkommen von EU und Mitgliedstaaten gemeinsam geschlossen - so genannte "gemischte Abkommen".
Juncker betonte nach einem einstündigen Gespräch Junckers mit einer steirischen Delegation allerdings, er wolle nicht als derjenige in die Geschichte eingehen, der die demokratischen Prozesse in Europa abschaffe. Deshalb sei es ihm wichtig, dass auch die nationalen Parlamente eingebunden sind und nicht einfach nur mit dem Thema befassen, sondern über eine echte Beschlussfassung beteiligt sind. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten sei dieser Auffassung, dass eine Behandlung auch durch die nationalen Parlamente in Erwägung gezogen werden müsse, sagte Juncker. Die Brüsseler Behörde werde in den kommenden Tagen neu überdenken.
Schützenhöfer sagte, er freue sich "sehr über dieses sehr konstruktive und erfolgreiche Gespräch mit meinem langjährigen Freund Jean-Claude Juncker. Ich bin froh, dass wir eine wesentliche Forderung meiner Landeshauptleutekollegen in Österreich, die Einbindung nationaler Parlamente bei CETA, erreichen konnten und Juncker seine Meinung überdacht hat". Juncker habe gesagt, er habe "aus demokratiepolitischen Erwägungen seine Meinung dazu überdacht", wurde aus dem Büro Schützenhöfer mitgeteilt.
Heftige Kritik am Vorgehen der EU-Kommission, CETA als reines EU-Abkommen einzustufen, übte am Donnerstag auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) im Bundesrat. Damit sichere man sich zwar internationale Reputation, so Mitterlehner, Demokratie, Rechtsstaat und Vertrauen in die EU seien aber geschwächt worden. Es sei eben problematisch, wenn die Spielregeln nicht im Vorhinein definiert werden. Mitterlehner zeigte sich in diesem Zusammenhang auch skeptisch, was TTIP betrifft.