Die einen sehen in dem nächsten Präsidenten der Philippinen ein unflätiges Großmaul mit Hang zum Protzen, die anderen sehen einen fürsorglichen Stadtvater. Einen, der als Bürgermeister die Straßen seiner Heimatstadt Davao sauber gehalten, den Drogenhandel beendet, den Alkoholausschank einschränkt, das Rauchen verbannt, Frauen gefördert und sich persönlich um die Armen gekümmert hat.
An Rodrigo Duterte (71) scheiden sich die Geister. Am Donnerstag trat der Jurist sein Amt an. An der Spitze des katholischen Inselstaates in Asien mit mehr als 100 Millionen Einwohnern steht dann ein Mann, der mit seiner Potenz und Viagra prahlt, der den Papst und die Bischöfe als Hurensöhne verunglimpft, der droht, Drogendealer und Journalisten umzulegen und das ganze Parlament zu feuern, wenn es sich ihm in den Weg stellt.
Die Macho-Nummer kam im Wahlkampf an. Die Filipinos wollen einen, der kurzen Prozess mit Dealern, Kriminellen und Schmiergeldnehmern macht. Und Duterte hat etwas vorzuweisen: Seine Heimatstadt Davao gilt im ganzen Land als blühendes Beispiel einer funktionierenden Stadt mit zufriedenen Bewohnern.
Dass Todesschwadronen von des Bürgermeisters Gnaden dort in knapp 20 Jahren 1.400 Menschen umbrachten, ohne dass je einer zur Rechenschaft gezogen wurde, prangern Menschenrechtler zwar an. Einwohner sagen aber: Die Opfer hatten Dreck am Stecken, Dealer, Diebe, Delinquenten. Ihr Tod sei ein kleiner Preis dafür, das Recht und Ordnung herrschen.
Auch Politologen sehen über die rüden Tiraden Dutertes hinweg und sehen Potenzial für die Lösung seit langem vertrackter Probleme. Von einer "politischen Revolution" spricht Politologe Barry Desker vom Institut für Internationale Studien (RSIS) in Singapur, aber durchaus nicht negativ. Als erster Präsident aus der Unruheregion Mindanao im Süden und mit seiner demonstrativen Präsenz in Davao statt der Hauptstadt Manila habe er den Großgrundbesitzerfamilien, die seit Jahrzehnten die Präsidenten stellen, ein Signal gegeben: Ab jetzt ticken die Uhren anders.
"Die Verpackung seiner Person als Problemlöser und Action-Mann hat eine starke Verbindung zum Wahlvolk geschaffen, das sich angesichts von Kriminalität, Armut, Einkommensungleichheit und Vernachlässigung durch den Staat ziemlich hilflos fühlt", meint Gilberto Llanto, Präsident des Philippinischen Instituts für Entwicklungsstudien. "Er macht den Eindruck, dass er die komplexen Probleme versteht, die die politische Elite hierzulande vernachlässigt haben", meint Damien Kingsbury von der australischen Deakin-Universität.
Zum Beispiel die muslimischen Rebellen im Süden. Sie kämpfen seit Jahren vergeblich für mehr Autonomie. Extremisten und Terroristen nutzen das aus und haben sich breitgemacht. Duterte kennt die Probleme und die Leute aus eigener Anschauung. Er räumt historische Ungerechtigkeiten gegen die Muslime ein und will die Autonomie zügig voranbringen.
Auch beim Streit mit China um Riffe und Atolle im Südchinesischen Meer setzt er auf Pragmatik, wie Richard Heydarian von der philippinischen De La Salle-Universität sagt. Entwicklung sei ihm wichtiger als Säbelrasseln.
"Baut mir eine Eisenbahn in Minadano, und ich werde die Sache nicht zur Sprache bringen", meinte Duterte scherzhaft. Dann schlägt er vor, die umstrittenen Gebiete doch mit China gemeinsam zu bewirtschaften. Und wenn das nicht funktioniert? Dann kommt wieder einem seiner berüchtigten Witze. Dann stelle er sich den Chinesen persönlich in den Weg. "Erschießt mich", sagt er. "Ich will ein Held sein. Ich sterbe lieber durch eine chinesische Rakete als im Bett."