Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon will nicht hinnehmen, dass Schottland vom Rest Großbritanniens zum Austritt aus der EU gezwungen wird.
Deswegen baut die linksgerichtete Politikerin immensen Druck auf, indem sie die Schotten in einem erneuten Referendum über ihre Loslösung von Großbritannien abstimmen lassen will. 2014 hatten die Schotten schon einmal über die Loslösung von Großbritannien abgestimmt. Damals entschieden sie sich mit knapper Mehrheit gegen den Alleingang. Doch mit dem Votum von 51,9 Prozent der Briten für einen Austritt aus der EU gibt es seit Donnerstag eine völlig neue Ausgangslage.
EU-freundlich
Die Schotten sind überwiegend EU-freundlich: 62 Prozent von ihnen stimmten für den Verbleib in der EU und ärgern sich jetzt, dass der Rest des Königreiches ihnen das Gegenteil aufzwingt. Vor dem Referendum hatte Sturgeon bereits angedroht, im Fall eines Brexit-Votums erneut ein Unabhängigkeitsreferendum in Schottland abzuhalten.
Und dabei blieb die Regierungschefin: "Das wird keine Wiederholung des Referendums von 2014", sagte Sturgeon am Sonntag der BBC. "Der Kontext und die Umstände haben sich dramatisch verändert." Das Vereinigte Königreich, für das Schottland 2014 gestimmt habe, "existiert nicht mehr".
Vor knapp zwei Jahren hatte Sturgeon die Kampagne ihrer Partei für das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland geleitet. Die Mehrheit stimmte schließlich gegen die Abspaltung. Doch bescherte die Volksbefragung der SNP enormen Auftrieb, die Mitgliederzahl vervierfachte sich.
Drittstärkste Kraft
Bei der Wahl im Mai vergangenen Jahres gelang es der von Sturgeon geführten Schottischen Nationalpartei (SNP) dann, die Zahl ihrer Abgeordneten im britischen Unterhaus von sechs auf 56 fast zu verzehnfachen - und damit drittstärkste Kraft zu werden.
Sturgeon trat im November 2014 als erste Frau an die Spitze der schottischen Regierung. Wegen ihrer sachlich-nüchternen Beharrlichkeit wird Sturgeon gelegentlich mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel verglichen. Außerdem profilierte sich Sturgeon in ganz Großbritannien mit bissiger Kritik an der Sparpolitik des konservativen Premierministers David Cameron.
Obwohl erst 45, blickt die Schottin schon auf eine lange Parteikarriere zurück. Die Tochter eines Elektrikers wurde in der Industriestadt Irvine südwestlich von Glasgow geboren. Mit 16 trat sie der SNP bei - politisiert durch die Thatcher-Jahre. Die hohe Arbeitslosigkeit damals gab ihr nach eigener Aussage "ein starkes Gefühl für soziale Gerechtigkeit".
Sturgeon studierte Jus und arbeitete als Anwältin. Als 1999 das schottische Parlament aus der Taufe gehoben wurde, gehörte sie zu den ersten Abgeordneten.
"Königin der Schotten" oder "gefährlichste Frau Großbritanniens" titulierte die britische Presse Sturgeon. Die Zeitung "The Scotsman" adelte die SNP-Chefin vergangenes Jahr zur "eindrucksvollsten Politikerin" von Schottland - und von ganz Großbritannien. Nach dem Brexit-Votum warten viele Gelegenheiten, um diesem Ruf gerecht zu werden.