"Zeit Online":
"Es ist das Ende des Europas, das wir kennen. Der Beginn einer neuen populistischen Ära. (...) Der Sieg der Brexisten ist ein Sieg der Antipolitik gegen die Elite. Ein Triumph ihrer Lügen über seriöse Berechnungen. Ein Votum gegen das Megathema des 21. Jahrhunderts: Zuwanderung."
"Spiegel Online":
"Keep calm and Euro on? Bloß nicht. Der britische Austritt muss der Anlass dafür sein, dass sich die Bürgerinnen und Bürger der verbliebenen Union mit aller Dramatik bewusst machen, warum es wichtig ist, zusammenzustehen - obwohl und gerade weil es so schwierig ist, sich ständig abzustimmen und Rücksicht zu nehmen auf die Interessen der anderen."
"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Hinter der knappen Entscheidung der Briten steht eine Mentalität. Sie heißt: "Wir gegen die." Das ist eine gefährliche wirtschaftspolitische Einstellung. Sie verheißt nichts Gutes für die britische Zukunft - und sie gefährdet weltweit Wohlstand."
"FAZ":
"Jetzt beginnt die Debatte über Großbritannien. Und die über die Europäische Union. Doch ebenso wichtig ist eine Debatte über das Verhältnis zwischen Bürgern und Eliten. Das muss noch ganz anders gekittet werden als mit einem EU-Austritt."
"Hamburger Abendblatt":
"Es gehört zur Wahrheit, dass sich die (Europäische) Union in ihrer Expansion überdehnt hat, die Idee wirkt ausgeleiert. Und sie hat beim Integrationstempo viele Menschen überfordert. (...) Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern zunächst ein besseres Europa. Europa wird nicht als Superstaat gelingen, sondern als Bündnis souveräner Länder."
"Le Monde" (Paris):
"Man kann meinen, dass (David) Cameron ein sehr schlechter Verteidiger der Union war - der konservative Regierungschef ist grundsätzlich ein Euroskeptiker, der nur sehr selten ein gutes Wort für die EU übrig hat. Man kann glauben, dass die Briten ein enormes Risiko auf sich nehmen. Es ist jetzt ihre Sache, sie haben sich entschieden, auf demokratische Weise. Sie haben ein Ende gesetzt nach 43 Jahren der Teilnahme an einem europäischen Projet, das ihnen nicht schlecht bekommen ist. (...) Europa steckt einen Rückschlag historischen Ausmaßes ein.
Die 27 (verbleibenden EU-Staaten) können nicht anders als Konsequenzen zu ziehen. Das Schlimmste wäre, weiterzumachen wie bisher, mit einer Dynamik, die - ob zu recht oder schlag historischen Ausmaßes ein. Die 27 (verbleibenden EU-Staaten) können nicht anders als Konsequenzen zu ziehen. Das Schlimmste wäre, weiterzumachen wie bisher, mit einer Dynamik, die - ob zu recht oder zu unrecht - eher EU-Skeptizismus als EU-Enthusiasmus erzeugt."
"Gazeta Wyborcza" (Warschau):
"Hat der Brexit die schlimmste Krise der EU hervorgebracht? Wenn die EU die Angst vor den Populisten abschüttelt, beschleunigt sich die Integration vor allem im Kreis der Euro-Länder. Polen, das den Zloty beibehielt, bleibt außerhalb des harten Kerns. Nach den Schockwellen der nächsten Tage oder Wochen werden die Erschütterungen nicht mehr so gewaltig sein, aber die europäische Integration ist nicht länger unumkehrbar. Das riecht nach einem Domino-Effekt. Der Brexit wird die Populisten anderer Länder beflügeln."
"El Pais" (Madrid):
"Der Brexit bedeutet einen enormen Rückschlag für das Projekt der europäischen Einigung. Die EU befindet sich jetzt in einem ähnlichen Zustand wie Großbritannien 1973 bei seinem Beitritt: Sie wirkt verloren, desorientiert, von den Ereignissen überrollt und ohne klaren Plan für die Zukunft. Nachdem die EU in den vergangenen Jahren mehrere Mitgliedsstaaten vor der Pleite bewahrt hatte, muss jetzt möglichst rasch das europäische Projekt gerettet werden."
"El Mundo" (Madrid):
"Der Brexit ist ein Akt der Verantwortungslosigkeit. Die Folgen werden 300 Millionen EU-Bürger ausbaden, die nicht abstimmen durften. Der britische Premier David Cameron brachte seinem Land völlig unnötigerweise ein großes Problem ein und erließ die Fundamente der EU erschüttern. Er hatte das Referendum angesetzt, um durch eine Flucht nach vorne seine Führungsposition bei den Konservativen zu behaupten. Der Brexit schwächt Briten und andere Europäer. Es wird nicht lange dauern, bis die Briten ihre irrationale Entscheidung bereuen werden."
"El Periodico" (Barcelona):
"Beim Brexit hat sich der antieuropäische Nationalismus der tiefen Provinz in England durchgesetzt, der mit der Fremdenfeindlichkeit einhergeht. Die Schuld für das Ende des europäischen Traums tragen aber andere. Die bürokratischen Exzesse, das Defizit an Demokratie, die unmenschliche Behandlung der Flüchtlinge und der Aufstieg einer extremen Rechten illustrieren das Scheitern eines Projekts."
"Kathimerini" (Athen):
"Die Stärke Europas ist die Einheit. Alles Andere (wie der Brexit) sind Fantasien eines Fieberwahns. Das 'Klein-England' wird - besonders wenn Schottland gehen würde- außerhalb Europas viel weniger Einfluss auf das Weltgeschehen haben. Aber auch für Europa ist der Schlag enorm. Die Populisten aller Art jubeln und fordern auch Volksabstimmungen. Wenn Europa nicht bald Maßnahmen trifft, die die Nachricht der Einigung entsenden, wie die Banken Union, die Vertiefung des gemeinsamen Marktes und die Überwindung des Dogmas der Austerität ohne Ende, dann wird der Brexit der erste Schritt in die Richtung der Auflösung der EU sein."
"Pravda" (Bratislava):
"Ihren Tag des Sieges feiern die Lügner und diejenigen, die mit Fakten und Zahlen jonglieren. Das Vereinigte Königreich ist heute gespalten. Und wenn wir nicht aufpassen, kann auch der Rest Europas ebenso gespalten sein. Nämlich dann, wenn wir auf den Brexit nicht rasch und richtig reagieren. - Aber wie, das weiß im Augenblick noch niemand so wirklich."
"Berlingske" (Kopenhagen):
"Cameron hat sicherlich geglaubt, dass er das Referendum gewinnen wird. Schließlich hatte er im Jahr zuvor die schottische Abstimmung über ihre Unabhängigkeit gewonnen. Nun rechnete er damit, das Manöver zu wiederholen. Doch das konnte er nicht. Man könnte denken, dass er jetzt den Preis für seine eigene Machtgier bezahlen muss: Das, was ihn an die Macht gebracht hat, hat ihn nun gestürzt. (.) Eine Lehre sollte sein, dass man sich als Politiker niemals von seinem Erfolg so sehr blenden lassen sollte, dass man glaubt, dass man gegen die Gegner gewinnen kann, indem man ihre Politik weiterführt."
"Tages-Anzeiger" (Zürich):
"Die unangenehme Wahrheit ist, dass niemand wirklich sagen kann, wie es weitergeht, weil so viele Entwicklungen möglich geworden sind. Das allein ist eine Katastrophe nicht nur für Großbritannien, sondern auch aus Sicht der Schweizer Wirtschaft."
"Neue Zürcher Zeitung":
"Die lange, wechselvolle Geschichte der Beziehung Großbritanniens mit dem europäischen Einigungsprojekt endet mit einer Scheidung. Was diesem Sprung ins Ungewisse nach dem knappen Volksentscheid folgen wird, steht in keinem Drehbuch. Denn für sicher gelten kann momentan nur die durch den Brexit verursachte Verunsicherung."
"Economic Times" (Neu-Delhi):
"Großbritannien hat abgestimmt, die EU zu verlassen. Das ist schlecht für London als Finanzzentrum, Großbritannien im Allgemeinen, die EU, die Weltwirtschaft und die Währungsstabilität. Indische Firmen, die in Großbritannien investiert haben, um es als Brücke nach Europa zu benutzen, werden Prügel einstecken. (...) Populistische Politik ist die Grundlage von Euroskeptizismus und hat den britischen Premierminister Cameron dazu gebracht, ein Referendum zum Verlassen der EU zu versprechen. Die Stimmung ist populistisch in ganz Amerika und Europa."
"The Nation" (Abu Dhabi):
"Dass so ein so großer Teil der Wählerschaft, 72 Prozent, an dem Referendum teilgenommen hat, verdient Respekt. Dasselbe kann über die Kampagne selbst nicht gesagt werden. Kaum jemals in der politischen Geschichte kann es eine Debatte auf einem so jämmerlich niedrigen Niveau gegeben haben, mit Beleidigungen, Panikmache und Übertreibung, die an die Stelle einer rationalen Diskussion traten. Keine der beiden Seiten ging daraus mit hohem Ansehen hervor."
"Dagens Nyheter" (Stockholm):
"Was wir erleben, ist ein politisches Erdbeben, von dessen Folgen wir nur den Anfang gesehen haben. Als das Ergebnis in der Nacht klar wurde, reagierten die Märkte mit Lichtgeschwindigkeit. Das britische Pfund fiel, genauso die asiatischen Börsen. Ob dies ein Lehman Brothers-Moment ist, der eine große globale Krise auslöst oder nur ein begrenzter Kollaps, weiß niemand. (...) Dies ist ein tragischer Moment für alle, die ein offenes, demokratisches Europa erhalten wollen, das durch Zusammenhalt gekennzeichnet ist. Das Dramatischste ist eingetreten. Mögen die Folgen für die Welt so glimpflich wie möglich sein.
"Aftenposten" (Oslo):
"Großbritanniens Rückzug ist eindeutig eine Krise vom schlimmsten Kaliber. Krisentreffen werden folgen. Das Ende ist ungewiss. (...) Aber diese Krise ist auch eine Chance, die Partnerschaft wieder neu zu erfinden, einen Neustart zu machen, zu definieren, was die Europäische Union wirklich sein soll. Eine knappe britische Mehrheit in der EU hätte nicht die gleichen Chancen geschaffen, sondern nur zu einer Fortsetzung des Streits bis zu einer vielleicht größeren Katastrophe geführt."
"La Republique des Pyrenees" (Tarbes):
"Liebe englische Freunde, zögert nicht, verlasst Europa! Lange habt ihr die 'wunderbare Isolation' der europäischen Idee vorgezogen. Also, wählt den Brexit, auch wenn er nicht in eurem Interesse ist, denn ihr werde ganz allein sein. Wegen des Wertverfalls des Pfund werdet ihr eine Inflation erleiden (...). Löst die Leinen und befreit uns von einer Last - von euch. Das politische Europa, das ihr nicht mögt, ist so machtlos geworden, dass es einen wirklichen Elektroschock benötigt, den euer Abschied hoffentlich bringen wird. (...) Also, die Herren Engländer: Haut ab - und gute Reise!"
"Hospodarske noviny" (Prag):
"In dem Moment, in dem der Einfluss der USA nachweisbar schwächer wird und Russland im Gegenzug sein retro-bolschewistisches Imperium schlau aufbaut - ganz zu Schweigen von den verdächtigen chinesischen Ambitionen in Zentraleuropa - hat die europäische Integration einen Faustschlag direkt ins Gesicht bekommen. Es wäre jedoch dumm, darüber nur zu weinen und sich aus Schreck die Haare auszureißen. Großbritannien muss jetzt auch eine Ohrfeige bekommen - von uns, die in der EU weitermachen wollen. Konkret in Form des Unwillens, sofort mit ihm über neue Verträge, die die alten Maastricht- und Lissabon Verträge ersetzen, sofort zu verhandeln beginnen. Mögen die Briten einfach jetzt in ihrer Freiheit baden!"
"Mlada fronta Dnes" (Prag):
"Erschütternd ist vor allem, dass der Ausgang weder durch schlechtes Wetter noch durch eine geringe Wahlbeteiligung verursacht wurde (...) Dieses Ergebnis kann man kaum anders interpretieren, als die Erteilung der schlechtesten Note für die gegenwärtige Form der europäischen Integration (...) Die Schuld kann man vor allem im Mangel an Selbstreflexion der gegenwärtigen europäischen Eliten suchen. Einen Tag nach dem Referendum planen die Herren Juncker, Schultz und Tusk ein gemeinsames Treffen. Die politische Kultur sollte ihnen im Grunde genommen befehlen, ihre Ämter anzubieten. Sie können sich aber weiterhin hinter der Auffassung verstecken, dass der Rest der EU jetzt eine klare Führung für die Verhandlungen mit Großbritannien über die Bedingungen seines Austrittes brauche."