Die Spanier sind erneut zur Wahl aufgerufen. Der Grund: Nach der Abstimmung vom Dezember haben die Parteien bei der Regierungsbildung versagt. Ob die Hängepartie nun ein Ende haben wird, steht in den Sternen.
Es war ein Fiasko ohne Beispiel für Spaniens Politiker. Weil die Parteiführer sich auf keine Regierungskoalition einigen konnten, musste König Felipe VI. für den kommenden Sonntag (26. Juni) Neuwahlen ansetzen. Die Politiker gelobten Besserung. Nach der vorgezogenen Parlamentswahl wollen sie möglichst rasch eine Regierung bilden.
"Diesmal muss die Regierungsbildung klappen", betonten die Spitzenkandidaten unisono. "Einen dritten Wahlgang darf es unter keinen Umständen geben." Aber wie soll die politische Hängepartie in der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Eurozone überwunden werden? Eine Antwort auf diese Frage ist bisher nicht in Sicht. Seit der Wahl vom 20. Dezember 2015 ist Spanien ohne eine gewählte Regierung. Ministerpräsident Mariano Rajoy ist geschäftsführend im Amt und nur sehr eingeschränkt handlungsfähig.
Patt-Situation
Für die Neuwahl zeichnet sich jedoch eine ähnliche Konstellation ab wie bei der Wahl vor einem halben Jahr. Die großen Parteien treten mit denselben Spitzenkandidaten und fast unveränderten Programmen an, und auch das Wahlergebnis dürfte nicht viel anders ausfallen. Rajoy hatte daraufgesetzt, dass Spaniens gute Wirtschaftslage mit einer Wachstumsrate von über drei Prozent seiner konservativen Volkspartei (PP) zu Stimmgewinnen verhelfen würde. Dies könnte sich jedoch als eine Fehlkalkulation erweisen.
Nach Umfragen wird die PP zwar erneut die meisten Sitze im Parlament gewinnen, aber von einer Mehrheit weit entfernt sein. Die Chancen Rajoys zur Bildung einer Regierung könnten sich im Vergleich zur Dezember-Wahl sogar noch verschlechtern. Eine mögliche Koalition mit den liberalen Ciudadanos (Bürger) käme auf weniger Sitze als die Gesamtheit der Linksparteien. Zudem lehnen die Liberalen eine Koalition mit Rajoy strikt ab. "Spanien droht unregierbar zu werden", warnte die Zeitung "El Mundo".
Ein bedeutsamer Wandel deutet sich im Lager der Linken an. Die noch junge Partei Podemos (Wir können) tritt in einem Wahlbündnis mit der Vereinten Linken (IU) unter dem Namen Unidos Podemos (Vereint können wir es schaffen) an. Nach Umfragen dürfte diese Allianz die Sozialisten (PSOE) als stärkste Kraft der Linken ablösen. Podemos-Parteichef Pablo Iglesias rechnet sich gar Chancen aus, in einer Koalition mit der PSOE zum neuen Ministerpräsidenten gewählt zu werden.
Die spanischen Sozialisten befinden sich seit 2010 im freien Fall. Bei der Neuwahl droht ihnen mit dem Spitzenkandidaten Pedro Sanchez, der in der eigenen Partei umstritten ist, ein erneutes Debakel. Paradoxerweise könnten sie trotz ihres Abwärtstrends nach der Wahl den Ausschlag geben, wer die neue Regierung bilden wird. Die PSOE könnte Rajoy oder Iglesias zu einer Mehrheit verhelfen. Die Partei will jedoch weder das eine noch das andere.
Koalition mit Rajoy lehnen Sozialisten ab
Eine Koalition mit Rajoy lehnen die Sozialisten einhellig ab. Sie fürchten, bei einem solchen Bündnis ähnlich wie die Pasok in Griechenland in der Versenkung zu verschwinden. Für Iglesias haben die Sozialisten ebenfalls nicht viel übrig. Der Podemos-Parteichef gilt in den Augen vieler PSOE-Politiker als ein Linkspopulist, der es nur darauf abgesehen hat, an die Macht zu kommen und die Sozialisten zu verdrängen. Für die PSOE wäre es eine Demütigung, schlechter abzuschneiden als Podemos. Ein solcher "sorpasso" (Überholmanöver), wie man in Spanien unter Rückgriff auf den italienischen Ausdruck sagt, würde die Regierungsbildung kaum erleichtern.
In der spanischen Bevölkerung, die zum zweiten Mal innerhalb von gut sechs Monaten ein neues Parlament wählen muss, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Zu den Kundgebungen der Parteien kommen wenig Leute, weil die Wähler die Argumente aus dem vorigen Wahlkampf bereits kennen und sich ein gewisser Überdruss breitgemacht hat. Die Parteien reduzierten daher drastisch die Zahl ihrer Großkundgebungen. Die Wahlbeteiligung dürfte im Vergleich zum Dezember zurückgehen. Damals hatten mehr als 73 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt.
Zweiter Jahrestag des Königs ohne Feiern
Der spanische König Felipe VI. (48) und Königin Letizia (43) haben den zweiten Jahrestag der Krönung des Monarchen ohne offizielle Feiern verbracht. Felipe war nach der Abdankung seines Vaters Juan Carlos am 19. Juni vor zwei Jahren in einer feierlichen Sitzung des Parlaments als König vereidigt worden.
Im ersten Jahr seiner Amtszeit gelang es ihm, das von der Elefantenjagd seines Vaters und von der Finanzaffäre um seine Schwester Cristina angekratzte Ansehen des Königshauses aufzupolieren. Zuletzt stand Felipes Amtsführung im Schatten der politischen Krise in Spanien.
Die politische Krise hatte offensichtlich keine negativen Auswirkungen auf das Ansehen des Monarchen. Nach einer Umfrage der Zeitung "El Pais" billigen 73 Prozent der Spanier die Amtsführung des Königs.