Mit Blick auf die Spannungen im süd- und ostchinesischen Meer mahnte Merkel am Sonntag bei einem Vortrag an der Akademie der Wissenschaften in Peking verbindlichen Verhaltensregeln zwischen den südostasiatischen Staaten und China an.
Damit sollten Gebietsstreitigkeiten in der Region vermieden werden. Zuletzt hatte es erhebliche Spannungen wegen chinesischer Besitzansprüche in den Meergebieten mit nahezu allen Nachbarn des Landes gegeben.
Merkel forderte zudem ein stärkeres Engagement der wirtschaftliche Supermacht bei der internationalen Krisenlösung. "Mit dieser ökonomischen Stärke wächst die Verantwortung", sagte sie.
Vor Studenten mahnte Merkel zugleich an, bei der innenpolitischen Entwicklung Chinas stärker auf die Rechtsstaatlichkeit zu achten. Deutschland betreibe deshalb einen Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog mit China. Die Kernidee sei, "dass die Stärke des Rechts gilt und nicht das Recht des Stärkeren". Merkel warnte auch, das umstrittene chinesische Gesetz für Nichtregierungsorganisationen dürfe nicht dazu führen, dass sich diese Gruppen nicht mehr in der Gesellschaft engagieren dürften.
Hintergrund ist ein restriktiverer innenpolitischer Kurs der kommunistischen Regierung in Peking. Auch die wirtschaftliche Entwicklung hänge von mehr Rechtsstaatlichkeit ab, sagte die deutsche Kanzlerin. Dafür brauche man eine unabhängige Justiz und die Gleichheit Aller vor dem Gesetz. Kreativität und Fortschritt erforderten mehr Freiräume für Einzelne.
Bedenken über Status als Marktwirtschaft
Merkel sprach in Peking zudem offen über Bedenken der EU-Kommission, China wie vor 15 Jahren versprochen in diesem Jahr als Marktwirtschaft einzustufen. "Ich kenne die Vorgeschichte sehr gut, und ich weiß, dass es viele Anstrengungen gibt in China. Wir haben aber einige Probleme." Darüber werde sie am Sonntag und Montag mit Ministerpräsident Li Keqiang sprechen.
Am Montag sind in Peking die vierten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen geplant. Merkel wird von sechs Ministern begleitet.
Merkel ging in einer Diskussion mit Studenten an der chinesischen Akademie der Wissenschaften speziell auf Chinas Stahl-Überproduktion ein. "Das ist ein großes Problem für europäische Stahlhersteller. Wir müssen schauen, dass wir faire Wettbewerbsbedingungen haben."
Ohne den Marktwirtschaftsstatus könnten Dumpingfälle schneller aufgerollt und Zölle verhängt werden. "Wir müssen über einige Branchen sprechen", sagte Merkel. Sie betonte aber: "Kein Mensch hat Interesse an vergrößerten Handelskriegen. Das wollen wir nicht zwischen der EU und China. Das bedeutet auch, dass wir offen über die bestehenden Probleme reden müssen".