"Wenn es die falsche Entscheidung trifft, schicken wir die Flüchtlinge los", warnte Kuzu. Die zugesagte Visafreiheit für türkische Reisende im Schengen-Raum ist Bestandteil des türkisch-europäischen Flüchtlingsabkommens vom März. Damals hatte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu - der inzwischen seinen Rücktritt angekündigt hat - zugesagt, alle Bedingungen für die Visafreiheit bis Juni zu erfüllen. Dagegen kritisierte Erdogan am Dienstag, die EU habe die Visafreiheit an neue Bedingungen wie die Reform der türkischen Anti-Terrorgesetze geknüpft. Eine solche Reform lehnt Erdogan ab.

Der Juni-Termin sei lediglich ein Versuch der EU, die Visafreiheit insgesamt zu Fall zu bringen, sagte Erdogan. Er wolle deshalb, dass sich die EU an den vorher zugesagten Termin im Oktober halte. "Wenn es funktioniert, dann funktioniert es, sonst gehen wir unseren Weg weiter", sagte er in Ankara.

Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei hat die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge drastisch reduziert. Nach UN-Angaben liegt die Zahl der pro Tag in Griechenland ankommenden Menschen derzeit bei 61, nach 115 im April und fast 900 im März. Im vergangenen Sommer setzten zeitweise jeden Tag mehrere tausend Menschen von der Türkei auf eine der griechischen Ägäis-Inseln über.

Unterdessen haben am Montag sechs Flüchtlinge versucht, von der griechischen Insel Chios zurück in die Türkei zu schwimmen. Wie ein Offizier der griechischen Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch bestätigte, handelte es sich um fünf Marokkaner und einen Algerier. Die Menschen hätten keine Chance auf Asyl gehabt und wollten zurück in die Türkei, um von dort aus auf anderen Wegen nach Mitteleuropa zu gelangen. Griechische Medien zeigen ein Video von einer solchen Aktion. Die Bilder sind dramatisch: Mit Schwimmwesten ausgestattet, kämpfen drei Menschen im Meer, im Hintergrund ist die türkische Küste zu sehen.

Rettungskräfte sammeln die Männer wieder ein - sie waren dem griechischen Offizier der Küstenwache zufolge bereits nach wenigen hundert Metern vom Kurs abgekommen. "Das Vorhaben ist absurd und höchst gefährlich, die Strecke ist rund 15 Kilometer lang es gibt starke Strömungen. Das schaffen nur wirklich gute Schwimmer, die sich auf solch eine Strecke vorbereitet haben", sagte er.

Marokkaner und Algerier haben in der Regel keine Aussicht auf Asyl. Den Angaben zufolge wollten die Männer deshalb nicht auf offiziellem Wege auf Chios registriert und im Rahmen des europäisch-türkischen Flüchtlingspakts in die Türkei zurückgeschickt werden. Stattdessen hätten sie darauf gesetzt, unbemerkt die türkische Küste zu erreichen und von dort aus auf einem anderen Weg - etwa über Bulgarien oder in Frachtern über das Mittelmeer - erneut die Reise nach Mitteleuropa zu versuchen.