Als Flugzeuge über dem Bezirk Mustaba zu hören sind, bricht Panik aus. Die Menschen auf dem Markt von Al-Khamis rennen in alle Richtungen davon. Sie fürchten neue Bomben. Einen Tag zuvor waren hier, etwa 125 Kilometer nordöstlich von Jemens Hauptstadt Sanaa, noch Gemüse, Fleisch und die berauschenden Kath-Blätter verkauft worden. Dann kamen die Flugzeuge.
Mehr als 100 Menschen - darunter 24 Kinder - starben hier Mitte März bei Luftschlägen. Eine Bombe schlug vor dem voll besetzten Restaurant "Azad Alharadi" ein. Heute ist es zerstört, genauso wie die Läden in der Nähe. Auch wie die Leben vieler Menschen hier. Alles deutet darauf hin, dass es ein Angriff der saudisch geführten Militärkoalition war. Das Bündnis fliegt seit einem Jahr - der Nacht vom 25. auf den 26. März - Angriffe auf die Aufständischen in dem Bürgerkriegsland.
UN spricht von rund 9000 Opfern
Im jemenitischen Bürgerkrieg sind im vergangenen Jahr nach UN-Angaben etwa 9000 Menschen ums Leben gekommen - mehr als 3000 davon Zivilisten. Schiitische Houthi-Rebellen kontrollieren große Teile vor allem im Norden und Westen des Landes und kämpfen gegen Truppen und Verbündete von Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi. Eine von Saudi-Arabien geführte Koalition bombardiert Stellungen der Houthis im Land. Der Einsatz hat die Rebellen bisher nicht maßgeblich in die Enge treiben können. Auch die humanitäre Lage im Land bleibt katastrophal.
Truppen und Verbündete von Präsident Hadi konnten zwar Aden im Süden des Landes von den Rebellen zurückerobern, Beobachter in der Hafenstadt, von der die Regierung aus eigentlich das Land regieren soll, sprechen aber von anarchischen Zuständen.
IS und Ableger von Al-Kaida im Jemen aktiv
Ein mächtiger Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida ist dort genauso aktiv wie die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Anschläge auf Politiker und Zivilisten sind regelmäßig geworden. Bewohner berichten außerdem von Milizen und Banden, die das Machtvakuum für sich nutzen. Einige Bewohner der Stadt sagen, unter der Besatzung der Houthis habe wenigstens noch etwas Ordnung geherrscht.
Der Deutsche Michael Winter verbrachte zuletzt vier Wochen in Aden. Der Unfallchirurg reiste für Ärzte ohne Grenzen in das Kriegsgebiet. "An jeder dritten Ecke gibt es einen Checkpoint, wo Bewaffnete des Militärs sitzen", erinnert sich der Mediziner an seine Anfahrt zum Krankenhaus. Viele Häuser seien zerbombt gewesen. Außerhalb der Klinik durfte er sich nicht aufhalten - aus Sicherheitsgründen.
Während der 43-Jährige im Jemen war, überfielen nicht weit entfernt von seinem Arbeitsplatz Bewaffnete ein Altersheim und erschossen 16 Menschen, darunter vier katholische Nonnen. Der Salesianer-Pater Thomas Uzhunnalil wurde entführt.
Mögliche Einigung der Konfliktparteien
Jetzt macht aber eine Einigung der Konfliktparteien Hoffnung, den Krieg dauerhaft beenden zu können: Ab dem 10. April soll eine landesweite Waffenruhe gelten, Friedensgespräche sollen eine Woche später folgen. Doch noch hält die Gewalt im Jemen an. Ebenso die Luftschläge. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, verurteilte das Bombardement auf den Markt in Mustaba als "einen der tödlichsten Vorfälle" in dem Konflikt.
Der Jemen gehört zu den ärmsten Ländern der arabischen Welt. Vier Fünftel der rung 26 Millionen Einwohner sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 2011 brachen Proteste aus, die zum Sturz von Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh führten, seitdem kam das Land nicht zur Ruhe. Internationale Friedensbemühungen blieben bisher erfolglos, die Vereinten Nationen haben vor einer drohenden Hungerkatastrophe gewarnt. Millionen sind ohne sauberes Trinkwasser und ausreichende medizinische Versorgung.
Amina Mohsens rechte Hand ist verletzt. Auch die rechte Seite ihres Körpers trägt Spuren der Angriffe auf den Markt von Al-Khamis. Nachdem sie den Einschlag der ersten Bombe gehört habe, erzählt die Bewohnerin des Dorfes, sei sie zu dem Platz gelaufen.
"Dann wurde erneut bombardiert und ich bin auf den Boden gefallen. Ich sah überall Leichen" , erzählt Mohsen von den Luftschlägen, bei denen ihr Mann, Bruder, Neffe, Onkel und Cousin starben. Luftschläge, die nun seit einem Jahr andauern. Luftschläge, die im Namen der Operation "Wiederherstellung der Hoffnung" geflogen werden.