Das teilte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit. Bisher kam humanitäre Hilfe nur bei Notlagen außerhalb der Europäischen Union zum Einsatz. Nun müsse das Europaparlament noch zustimmen, für das laufende Jahr einen Nachtragshaushalt aufzulegen, um die Nothilfe zu finanzieren. Das EU-Budget wird vor allem aus Beiträgen der 28 Mitgliedstaaten bestritten.
Die ersten 300 Millionen Euro sollen nach Plänen der Kommission so schnell wie möglich im laufenden Jahr fließen. Je 200 Millionen Euro sind für 2017 und 2018 vorgesehen.
Die Hilfen sind für EU-Staaten gedacht, die einen plötzlichen, starken Andrang von Flüchtlingen erleben. Betroffen ist vor allem Griechenland. Wegen der faktischen Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge sitzen dort Zehntausende Menschen fest.
Die Schließung der Grenzen zu Mitternacht kündigten die Regierungen in Slowenien und Serbien am Dienstagabend an. Kroatien und Mazedonien folgten mit ihrer offiziellen Ankündigung am Mittwoch in der Früh. Tatsächlich sei aber schon seit Dienstagfrüh kein einziger Flüchtling eingelassen worden, teilte die Polizei am Mittwoch in Mazedonien mit. In diese Länder einreisen dürften nur noch Menschen mit gültigen Pässen und Visa.
Am Grenzübergang nahe dem griechischen Idomeni harren indes rund 13.000 Flüchtlinge in Campingzelten aus. Angesichts von Dauerregen und katastrophaler hygienischer Bedingungen begannen die griechischen Gesundheitsbehörden am Mittwoch mit der Impfung der Kinder. Bis zum frühen Nachmittag verließ zudem eine Handvoll organisierter Busse mit Migranten Idomeni in Richtung Athen.
Vize-Innenminister Ioannis Balafas hatte den Schritt gegenüber dem Radiosender Alpha angekündigt: "Wir bemühen uns, die Flüchtlinge Richtung Süden zu bringen, wo sie menschliche Lebensbedingungen finden können." Die Information, dass Busse in die griechische Hauptstadt zur Verfügung gestellt werden, schien sich unter den Schutzsuchenden aber nur langsam zu verbreiten. Das Interesse, die Zeltstadt zu verlassen, war vorerst eher gering, wie eine APA-Reporterin vor Ort berichtete.
Hoffnung, doch noch über Österreich nach Deutschland zu gelangen, gibt es für die insgesamt bis zu 36.000 in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge vorerst kaum. Künftig dürften Schutzsuchende nur noch nach Slowenien kommen, wenn sie dort Asyl beantragen, oder in Einzelfällen aus humanitären Gründen, erklärte das dortige Innenministerium. Nun wolle sich Slowenien um die Umverteilung der Flüchtlinge aus Griechenland und Italien kümmern. Noch am Donnerstag will die Regierung die Aufnahme für die nächsten zwei Jahre festlegen.
Slowenien verhält sich im Einklang zu den EU-Beschlüssen, sagte eine EU-Kommissionssprecherin. Das Nachbarland Österreichs habe die EU-Kommission und die Länder der Balkan-Koordinierungsgruppe darüber informiert, dass es den Schengen-Grenzkodex an seiner Außengrenze zu Kroatien voll anwende, sagte die Sprecherin am Mittwoch in Brüssel. Dies sei im Einklang mit dem EU-Gipfel vom Februar, der ein Ende des Durchwinkens beschlossen habe.
Dankende Worte an die Staaten des Westbalkans kamen von EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Der irreguläre Strom von Migranten über die Westbalkanroute ist zu einem Ende gekommen", twitterte Tusk am Mittwoch. "Das ist keine Frage einseitiger Maßnahmen, sondern von gemeinsamen Beschlüssen der 28 EU-Staaten."
In Ländern wie Italien und Bulgarien löste die Schließung der Route hingegen die Sorge aus, sie könnten zum neuen Transitland der Flüchtlinge in Richtung Nordwesteuropa werden. Rom kündigte bereits Gespräche mit Albanien an. Die beiden Länder trennt eine 80 Kilometer lange Strecke über die Adria - eine Strecke, über die bereits vor zwanzig Jahren Tausende Albaner kamen.
Weniger Sorgen, ein neues Land auf der Flüchtlingsroute zu werden, macht sich Ungarn. Budapest fürchtete mehr die Reaktion der Flüchtlinge auf die Schließung der Route, die in den Nachbarländern Ungarns - Slowenien, Kroatien und Serbien - festsitzen und verhängte im ganzen Land den Krisenzustand. Wie das Innenministerium am Mittwoch mitteilte, werde das Sicherheitspersonal an der Grenze aufgestockt. An der Grenze zu Rumänien könnte notfalls ein Zaun binnen zehn Tagen errichtet werden.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach hingegen von einer "massiven Entlastung" des Flüchtlings-Ansturmes nach der Schließung der Balkanroute und will noch diese Woche 200 Polizisten von der Südgrenze wieder abziehen. Die Kräfte könnten aber unverzüglich wieder aufgestockt werden, wenn dies notwendig werden sollte, sagte Mikl-Leitner am Mittwoch gegenüber der APA.
Die massive Flüchtlingsbewegung über die Türkei nach Griechenland reißt unterdessen nicht ab. Erst am Mittwoch in der Früh erreichten mehr als 500 Flüchtlinge den Hafen von Piräus. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) geht davon aus, dass auf den griechischen Inseln aktuell mehr als 5.000 über die Türkei gekommene Flüchtlinge auf ihre Weiterreise warten. In Piräus halten sich derzeit 3.000 Flüchtlinge auf.
Aus dem EU-Parlament kam scharfe Kritik am Plan, die Krise durch die Abschiebung sämtlicher Neuankömmlinge aus Griechenland in die Türkei einzudämmen. Sozialisten, Grüne und Linke äußerten in Straßburg massive Bedenken wegen drohender Massenabschiebungen. Konservative Vertreter kritisierten die umfangreichen Gegenleistungen, die Ankara verlangt.
Der schwedische Regierungschef Stefan Löfven sieht unterdessen für EU-Staaten, die sich nicht an der Umverteilung von Flüchtlingen beteiligen, keinen Platz im Schengen-System. Niemand könne sich in der EU "nur die guten Dinge herauspicken", sagte der Sozialdemokrat am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg. Wer sich nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteilige, könne auch nicht im Schengen-Raum bleiben.
Eine Umverteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU sei dringend notwendig, mahnte Löfven. Schweden habe proportional am meisten Flüchtlinge aufgenommen. Wenn sich alle EU-Länder entsprechend verhalten und gemeinsam gehandelt hätten, gebe es heute "gar kein Problem".
"Wir müssen von Chaos zu Kontrolle kommen", sagte Löfven. Wenn dies nicht gelinge, werde die europäische Zusammenarbeit insgesamt aufs Spiel gesetzt. "Davon betroffen sind dann alle", warnte er.
Die teilweise massive Kritik im Europaparlament an dem geplanten Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei wies der schwedische Regierungschef zurück. "Ich denke, das ist der richtige Weg", sagte er. Der Menschenhandel durch die Schleuser müsse beendet werden.
Die EU-Innenminister hatten bereits im vergangenen Jahr die Umverteilung von rund 160.000 Flüchtlingen auf alle 28 EU-Staaten beschlossen. Mehrere Länder, darunter Polen und Ungarn, verweigern aber ihre Teilnahme. Wegen des Flüchtlingsandrangs haben mehrere Länder das Schengen-Abkommen ausgesetzt und wieder Grenzkontrollen zu ihren EU-Nachbarn eingeführt. Die EU-Kommission hofft aber, dass das System bis Ende des Jahres wieder voll funktionsfähig ist - unter anderem durch wirksame Kontrollen an den EU-Außengrenzen.