Warschau steht in Europa seit Wochen wegen umstrittener Gesetze im Medien- und Justizbereich in der Kritik. Die Kommission sei verpflichtet, die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten zu überprüfen, sagte ihr Vizepräsident Frans Timmermans nach Einleitung des Verfahrens. "Das hat nichts mit Politik zu tun." Ziel sei es, "diese Fragen zu lösen, nicht anzuklagen oder Polemiken zu führen".

Die polnische Regierung habe aus Sicht Brüssels "bindende Urteile" des Verfassungsgerichts missachtet, sagte Timmermans. Dies sei "eine ernsthafte Angelegenheit in jedem rechtsstaatlich geprägten Staat". Die polnische Regierung hatte nach ihrem Amtsantritt im November eine Entscheidung ihrer Vorgängerin zur Ernennung von fünf neuen Verfassungsrichtern rückgängig gemacht. Das polnische Verfassungsgericht hatte im Dezember entschieden, dass dies nicht rechtmäßig war.

Die Kommission verweist zudem darauf, dass unter der neuen Regierung die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen durch das Gericht erschwert wurde. Kritisiert hat Brüssel auch die Änderung des Medienrechts, wodurch die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender künftig direkt von der Regierung ernannt oder abberufen werden können.

Erste Etappe des Rechtsstaatsverfahrens sei nun eine "vorbereitende Bewertung" der Lage in Polen, ohne die Entscheidung über weitere Schritte vorwegzunehmen, sagte Timmermans. Er wurde beauftragt, durch einen Brief einen "strukturierten Dialog" mit Warschau einzuleiten. Mitte März will die Kommission sich erneut mit dem Thema befassen.

Ein Regierungssprecher in Warschau sprach von einem "Standarddialog". Die Maßnahme sei durch politische Spekulationen in westeuropäischen Ländern ausgelöst worden. Die Kommission wolle "einfach etwas mehr Informationen darüber, was in Polen passiert". Warschau sei bereit, diese zu liefern.

Ministerpräsidentin Szydlo fand im polnischen Parlament deutlichere Worte. Sie rief die Opposition zur Einheit gegenüber "Verleumdungen" aus dem Ausland auf. Es sei "nicht wahr", dass es Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit gebe, sagte die Vertreterin der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS). "Der Demokratie geht es gut in Polen".

Redner der Opposition wiesen Szydlos Mahnung zur Einheit umgehend zurück. "Es sind nicht Polen oder seine Bürger, die verleumdet werden", sagte Rafal Trzaskowski von der Bürgerplattform: "Es sind unsere Partner, die beunruhigt sind über Ihr Handeln", hielt er der rechtskonservativen Regierung entgegen. "Das haben Sie selbst zu verantworten." Der Liberale Ryszard Petru ergänzte, die Konservativen ernteten nun "die Früchte ihrer eigenen Taten".

Die Parlamentsdebatte stand im Zusammenhang mit einer für den kommenden Dienstag geplanten Debatte im EU-Parlament über die politische Lage in Polen. Szydlo hatte angekündigt, sie wolle daran teilnehmen. Sie habe aber nicht vor, dort nur "demütig zuzuhören", sagte sie am Mittwoch. "Ich werde unsere Außenpolitik nicht auf Knien betreiben. Diese Zeit ist vorbei."

EU-Parlamentarier äußerten sich am Mittwoch freilich durchwegs positiv über das Vorgehen der Kommission: Die Grüne Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, sprach am Mittwoch von einem ersten wichtigen Schritt. "Der Zusammenhalt der Europäischen Union ist existenziell gefährdet, wenn die Abkehr von demokratischen Prinzipien toleriert wird." Liberalen-Chef Guy Verhofstadt erklärte, wenn Polen jetzt um EU-Mitgliedschaft ansuchen würde, "würde es scheitern". Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Gianni Pitella, lobte die EU-Kommission dafür, dass sie "rasch und zurecht die von der polnischen Regierung beschlossenen, Besorgnis erregenden Gesetze angesprochen hat". Auch Amnesty International begrüßte das Vorgehen der EU-Kommission als "positives Zeichen für die Menschenrechte in der EU".

Der dreistufige Rechtsstaatsmechanismus war Anfang 2014 von der EU-Kommission eingeführt worden und wurde bisher noch nie angewendet. Kommt es in einem Dialogverfahren zu keiner Einigung, kann dieses zu Sanktionen führen, die bis zum Entzug von Stimmrechten reichen.

Dazu müssten die anderen Mitgliedstaaten aber einstimmig feststellen, dass es in Polen einen "schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß" gegen EU-Grundwerte gibt. Der Polen-Verbündete Ungarn hat bereits klar gemacht, dass er Sanktionen gegen Warschau nicht unterstützen würde.