Vertreter aus Afghanistan, Pakistan, China und den USA haben sich am Montag in Islamabad zu Beratungen getroffen, um den festgefahrenen Friedensprozess in Afghanistan wiederzubeleben. Sie hatten im Dezember beschlossen, einen neuen Friedensfahrplan für Afghanistan zu entwickeln, der die radikalislamischen Taliban an den Verhandlungstisch bringen soll.

Lage verschlechtert sich

Das Treffen werde "die Richtung des neuen Friedensprozesses definieren" sowie "konkrete Aufgaben für alle beteiligten Parteien", sagte Pakistans Außenberater Sartaj Aziz in seiner Eröffnungsansprache. "Wir müssen Anreize für die Taliban entwickeln, keine Gewalt mehr anzuwenden." Das sei aber eine komplexe Aufgabe, warnte er. "Wir sollten keine überzogenen Erwartungen haben."

Dnn die Lage in Afghanistan ist schlimm wie lange nicht. Der neue Präsident des Landes, Ashraf Ghani, hatte der rasanten Verschlechterung der Sicherheitslage 2015 wenig entgegenzusetzen. Nach der Wahl im September des Vorjahres hatte er versprochen, alles solle besser werden: Sicherheit, Schutz der Menschenrechte, Regierungsführung. Aber dann dauerte es allein sieben Monate, bis im April 2015 das Kabinett vollständig war. Oder besser: fast vollständig. Einen Verteidigungsminister hat das Land im Kriegszustand immer noch nicht. Das Parlament hat bisher alle Kandidaten abgelehnt. Der letzte abgelehnte Bewerber, Massum Staneksai, amtiert nun einfach illegal. Erfolge hatte diese Regierung 2015 nur wenige aufzuweisen.

Der wichtigste war wohl, dass Ashraf Ghani es geschafft hat, das Verhältnis mit den Gebern zu reparieren. Vor allem das mit den Amerikanern, die der vorherige, langjährige Präsident Hamid Karzai gründlich verärgert hatte. Auch darauf ist zurückzuführen, dass die NATO jüngst beschloss, den Abzug aus Afghanistan zu stoppen und 12.000 Soldaten im Land zu lassen - Bundeswehr inbegriffen. "Das wird aber nicht dabei helfen, die Talibanangriffe auf den Staat in der Fläche zu verringern", warnt der Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Afghanistan, Alexey Yusupov. Allenfalls könnten große Städte vor dem Fall bewahrt werden, wenn sie akut bedroht würden. Das Kampfmandat der NATO lief Ende 2014 sowieso aus.

Taliban beherrscht weite Teile des Landes

Und von den 12.000 Soldaten, die nun bleiben, wird der Löwenanteil mit der Verwaltung des Einsatzes beschäftigt sein. Deutschland zum Beispiel wird nächstes Jahr 980 Soldaten in Afghanistan behalten, aber nur ein Bruchteil von ihnen wird afghanische Streitkräfte beraten. Gleichzeitig hieß es im Herbst aus afghanischen Regierungskreisen, 180 der etwa 400 Bezirke im Land seien entweder umkämpft oder unter der Herrschaft der Taliban. Die Zahl der zivilen Opfer hat einen Rekordstand erreicht. Allein in der ersten Jahreshälfte wurden nach UN-Angaben 1592 Zivilisten getötet und 3329 weitere verletzt. Ein Viertel der Opfer waren Kinder. All dies verstärkt nur den Willen vieler Afghanen, ihr Land Richtung Europa zu verlassen.

Afghanen bilden unter den nach Europa gekommenen Flüchtlingen nach den Syrern die größte Gruppe. Auch in Österreich suchten im Jahr 2015 Tausende Flüchtlinge aus Afghanistan um Asyl an.