Neben Köln ermittelt auch die Polizei in Hamburg wegen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht. Die Opfer seien jeweils von mehreren Männern an der Reeperbahn umringt und an der Brust oder im Intimbereich angegriffen worden, sagte Polizeisprecher Holger Vehren am Dienstag. Zugleich hätten ihnen die Täter Handys, Papiere und Geld weggenommen.
Es gehe um zehn Fälle von sexueller Beleidigung, Raub und räuberischem Diebstahl. Die Täter sollen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren gewesen sein. Die Polizei sucht nun Zeugen. Vehren zeigte sich optimistisch: In der Tatzeit hätten die zahlreichen Feiernden auf der Reeperbahn sicherlich viele Fotos gemacht.
Zuvor hatten Übergriffe auf Frauen in Köln Entsetzen ausgelöst. Dutzende Frauen sollen dort in der Silvesternacht auf dem Bahnhofsvorplatz aus einer Gruppe von etwa 1000 Männern heraus angegriffen worden sein. Mittlerweile seien 100 Anzeigen eingegangen, berichtete ein Polizeisprecher am Dienstag.
"Wir gehen davon aus, dass noch weitere hinzukommen", sagte er. Zum Teil gehe es um sexuelle Übergriffe, zum Teil um Taschendiebstähle.
Am Silvesterabend hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz laut Polizei etwa 1000 Männer versammelt, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen. Dies hätten alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt. Ähnlich hatten sich die Polizei und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) geäußert.
Frauen umzingelt und beraubt
Aus der Menge bildeten sich demnach Gruppen von mehreren Männern, die Frauen umzingelt, bedrängt und ausgeraubt haben sollen. Polizeipräsident Wolfgang Albers sprach am Montag von Sexualdelikten in sehr massiver Form und einer Vergewaltigung. Bis Dienstag lagen der Polizei 90 Anzeigen vor. Sie sind nach Einschätzung von Albers „Straftaten einer völlig neuen Dimension“.
Reker bezeichnete die Vorfälle als "ungeheuerlich". Es könne nicht sein, dass Besucher, die nach Köln kämen, Angst haben müssten, überfallen zu werden. "Wir können nicht tolerieren, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht", sagte die parteilose Politikerin der Zeitung. Polizei und Bundespolizei seien "dringend gefordert". Es müssten Schritte unternommen werden, um "insbesondere Frauen vor solchen Übergriffen zu schützen". Möglicherweise müsse man auch die Video-Überwachung im Hauptbahnhof ausweiten.
Mehr Sicherheit auf Großveranstaltungen
Als Reaktion auf massenhafte Übergriffe auf Frauen vor dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht will die Stadt ihre Sicherheitsvorkehrungen für Großveranstaltungen verschärfen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte am Dienstag, die Behörden hätten keine Hinweise, dass es sich bei den Tätern um Flüchtlinge handle. Entsprechende Vermutungen halte sie für "absolut unzulässig".
"Wir haben derzeit keine Erkenntnisse über Täter", sagte der Polizeipräsident der Stadt in Nordrhein-Westfalen (NRW), Wolfgang Albers. Zeugen hätten die Angreifer als Männer beschrieben, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen. "Bei uns sind solche Fälle nicht bekannt", sagte Roman Hahslinger, Sprecher der Wiener Polizei, auf APA-Anfrage.
Albers kündigte mit Blick auf den Karneval an: "Nun werden wir deutlich die Präsenz erhöhen." Die Polizei werde sowohl uniformierte als auch zivile Kräfte einsetzen und mobile Videoanlagen einrichten. Die Zeit für vorbeugende Maßnahmen und überarbeitete Sicherheitskonzepte drängt. Schon Anfang Februar werden zu Weiberfastnacht und Rosenmontag mehrere hunderttausend Besucher erwartet.
"Abscheuliche Taten"
Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) verurteilte die Angriffe als abscheuliche Taten. "Dass eine so große Zahl von Personen, offensichtlich mit Migrationshintergrund, diese Übergriffe verübt haben sollen, stellt eine neue Dimension dar." Zugleich mahnte er: "Dies darf aber nicht dazu führen, dass nunmehr Flüchtlinge gleich welcher Herkunft, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen, unter einen Generalverdacht gestellt werden."
NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) sprach von einer "Eskalation der Gewalt" und sexuellen Übergriffen "durch Männer-Banden". Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch) sagte sie: "Für die Opfer, insbesondere die betroffenen Frauen, waren das schreckliche, zutiefst verstörende Erlebnisse." Wenn die Voraussetzungen gegeben seien, müssten kriminelle Straftäter abgeschoben werden. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) betonte: "Wir nehmen es nicht hin, dass sich nordafrikanische Männergruppen organisieren, um wehrlose Frauen mit dreisten sexuellen Attacken zu erniedrigen." Die Polizei werde neue Konzepte für die Karnevalszeit erarbeiten, um solche Vorkommnisse künftig zu verhindern. "Das sind wir den Frauen schuldig und zugleich den nordafrikanischen Flüchtlingen, die friedlich bei uns leben wollen."
Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) verlangte auf Twitter, nach dem "abscheulichen Übergriffen" müssten alle Täter konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Der CDU-Politiker Jens Spahn forderte via Twitter einen gesellschaftlichen "Aufschrei".
Nach Polizeiangaben sollen alle verfügbaren Einsatzkräfte in der Nacht beim Bahnhof gewesen sein. Das seien in Spitzenzeiten insgesamt gut 210 Beamte gewesen. Dennoch gab es weiter Kritik und viele offene Fragen zu dem Einsatz. Augenzeugen berichteten in mehreren Medien, die Polizei sei überfordert und die Stimmung aggressiv gewesen.
Lückenlose Aufklärung
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, mahnte eine lückenlose Aufklärung an - und mehr Personal. "Was wir brauchen, ist eine starke Polizeipräsenz vor Ort." Die Polizei benötige auch Videoüberwachung, man solle sich aber nicht der "Illusion" hingeben, damit Tätern "individuell und konkret Straftaten" nachweisen zu können.
Auch die Polizei in Hamburg ermittelt wegen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht, mit geringerem Ausmaß als in Köln. Die Opfer seien jeweils von mehreren Männern an der Reeperbahn umringt und an der Brust oder im Intimbereich begrapscht worden, sagte Polizeisprecher Holger Vehren am Dienstag. Zugleich hätten ihnen die Täter Handys, Papiere und Geld weggenommen. Bisher seien zehn Fälle angezeigt worden.
Die österreichischen Grünen haben angesichts der Vorfälle im Nachbarland ein konsequentes Vorgehen gegen Männergewalt gefordert. Woher die Täter von sexueller Gewalt kommen, sei "unerheblich bei der Verfolgung von Straftaten", gleichzeitig wurde gewarnt, die Vorkommnisse für "rassistische Hetze zu missbrauchen". Die FPÖ zeigte sich empört über die Übergriffe. Mehrere freiheitliche Politiker forderten einen Stopp der "Masseneinwanderung".
Sexuelle Übergriffe
Erst im Laufe der Silvesternacht und in den Folgetagen war das Ausmaß der Gewalt deutlich geworden. Nach Polizei-Angaben sollen alle Einsatzkräfte, die zur Verfügung waren, vor Ort gewesen sein. Doch die Beamten hatten anscheinend nichts von den sexuellen Übergriffen und Diebstählen gemerkt.
Als zwischen 1.00 und 1.30 Uhr bei der Kölner Polizei und Bundespolizei die ersten Anzeigen erstattet wurden, habe die Polizei von dem "massiven Vorgehen" erfahren, sagte der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert.
"Kein neues Phänomen"
Aus Sicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) handelt es sich bei den Übergriffen auf Frauen in Köln um eine längst bekannte Praktik. "Wer von einer neuen Dimension organisierter Kriminalität spricht, der irrt oder es fehlen ihm kriminalistische und kriminologische Erkenntnisse", sagte der Bundesvorsitzende des Berufsverbands, Andre Schulz, dem "Handelsblatt". "Das sogenannte Antanzen durch Täter, die oftmals aus Nordafrika oder dem Balkan stammen, ist der Bandenkriminalität zuzuordnen und kein neues kriminalistisches Phänomen", sagte Schulz.
Ziel der Täter sei es, die Opfer zu überrumpeln, abzulenken und ihnen Wertsachen zu entwenden, sagte Schulz laut "Handelsblatt". "Diese Tätergruppierungen begehen nach unseren Erkenntnissen nicht nur Trick- und Taschendiebstähle, sondern auch Raubdelikte sowie Kfz- und Wohnungseinbrüche." Die Polizei habe dies mehrfach thematisiert. Jetzt nützten "keine vollmundigen Politikerforderungen". Das Problem sei zum größten Teil hausgemacht. Forderungen nach einer angemessenen Personalstärke seien regelmäßig ignoriert worden, kritisierte Schulz.
Merkel reagierte empört
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat nach Übergriffen auf Frauen vor dem Kölner Hauptbahnhof eine harte Antwort des Rechtsstaats gefordert. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert vom Dienstag drückte sie in einem Telefonat mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker "ihre Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken aus".
Es müsse alles daran gesetzt werden, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen. Merkel habe sich von Reker über die Ergebnisse des Krisentreffens von Polizei und städtischen Behörden informieren lassen. Auch lasse sich die Kanzlerin vom deutschen Innenminister Thomas de Maiziere über die Ermittlungsarbeiten berichten.
De Maiziere kritisiert Arbeit der Polizei
Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hat der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere deutliche Kritik an der Polizei geübt. Nachdem zunächst der Vorplatz des Hauptbahnhofs geräumt worden sei und es dann die Übergriffe gegeben habe, habe die Polizei "auf Anzeigen gewartet", sagte de Maiziere am Dienstagabend dem Sender ARD.
"So kann die Polizei nicht arbeiten." Die Angriffe auf Frauen bezeichnete er als "abscheulich, empörend und nicht hinnehmbar", erklärte der Innenminister. Er frage sich auch, warum die Polizei am Neujahrstag noch habe sagen können, "es wäre alles friedlich gewesen", sagte de Maiziere weiter. Er forderte "dringend eine Aufklärung" der Vorfälle. Klar sei: "Wir brauchen eine klare, harte Antwort des Rechtsstaates und wir brauchen Vorsorge, dass so etwas nicht noch einmal geschieht."
Zu den mutmaßlichen Tätern sagte de Maiziere, es dürfe "keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge" geben, zumindest nicht "in diesem Stadium der Ermittlungen". Falls aber "Nordafrikaner" die Täter gewesen seien, wofür einiges spreche, dürfe es andererseits kein "Tabu" geben und nicht "einfach darüber hinweggeredet" werden, fügte der Innenminister hinzu.
Der Rechtsstaat habe "schon Mittel, solche Straftäter abzuschieben. Abgelehnte Asylbewerber unterfallen dem normalen Ausweisungsrecht", sagte de Maiziere weiter.
300 Frauen demonstrierten gegen Gewalt
Inzwischen demonstrierten am Dienstagabend in Köln etwa 300 Frauen gegen Gewalt gegen Frauen. In der Silvesternacht soll es rund um den Kölner Hauptbahnhof und dem benachbarten Dom zu einer Serie von sexuellen Übergriffen gegen Frauen und anderen Straftaten gekommen sein. Laut Polizei liegen mittlerweile 90 Strafanzeigen vor. Bisher haben die Ermittler aber keine genauen Kenntnisse über die mutmaßlichen Täter.