Die neue polnische Regierung hat am Freitag ein von der NATO betreutes Spionageabwehrzentrum in Warschau stürmen lassen, um dort die Kontrolle zu übernehmen. Beamte des Verteidigungsministeriums und der Militärpolizei seien kurz nach Mitternacht in das polnisch-slowakische Zentrum eingedrungen, berichtete dessen bisheriger Chef Krzysztof Dusza im Fernsehen.
Polens Ex-Präsident Lech Walesa distanzierte sich von der neuen Regierung und warnte vor einem "Bürgerkrieg". "Ich habe ihnen gesagt, dass ihre Anwesenheit hier illegal ist", sagte Oberst Dusza nach der nächtlichen Besetzung. Der neue Außenminister Witold Waszczykowski sagte im Radio, dass die in dem Zentrum beschäftigten polnischen Beamten ihre Berechtigung verloren hätten, vertrauliche Dokumente einzusehen. "Sie mussten durch andere ersetzt werden, die solche Rechte haben." Das polnische Verteidigungsministerium veröffentlichte eine knappe Mitteilung, wonach ein neuer Übergangschef für das Zentrum eingesetzt worden sei, Oberst Robert Bala.
Türen versiegelt
Oberst Dusza forderte nach eigenen Angaben nach der Razzia die Polizei auf, die Türen des Zentrums zu versiegeln. Die Slowakei und andere ausländische Partner seien über die nächtliche Aktion informiert worden, sagte er. Dusza vertrat die Ansicht, dass er weiter im Amt sei, da personelle Veränderungen zusammen mit der Slowakei beschlossen werden müssten. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sagte jedoch auf Fragen von Journalisten in Brüssel: "Die Angelegenheit scheint in die Souveränität Polens zu fallen - und ich werde sie nicht kommentieren."
Die Einrichtung des Spionageabwehr-Zentrums in Polen wurde im Oktober von der NATO beschlossen. Vorerst wurde das Zentrum in Warschau eingerichtet, endgültig soll es dann in der südpolnischen Stadt Krakau angesiedelt werden. Derartige Zentren seien internationale Einrichtungen, die auch international finanziert und mit Personal ausgestattet würden, um "an der Seite der Allianz zu arbeiten", sagte ein NATO-Sprecher. Es seien aber "keine NATO-Einrichtungen".
"Beispielloser Vorgang"
Verteidigungsminister Antoni Macierewicz ist ein Hardliner der neuen Regierung, die nach dem Wahlsieg im Oktober von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gestellt wird. Ex-Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak sprach von einem "absoluten Skandal" und einem "beispiellosen Vorgang in einem NATO-Mitgliedstaat".
Die seit November amtierende Regierung hat bereits mit der Ernennung von fünf regierungsnahen Verfassungsrichtern für Empörung gesorgt. Am Samstag demonstrierten rund 50.000 Menschen in Warschau gegen eine "Schleifung der Demokratie".
Angst vor Bürgerkrieg
Ex-Präsident Walesa sagte am Donnerstagabend im polnischen Fernsehen, Reformen seien sicherlich erforderlich - "aber nicht so". Er plädierte für eine "offene und demokratische Form" von Veränderungen. Die Regierung dürfe nicht "brutal" vorgehen. Wenn sie dies nicht beachte, so warne er davor, dass "das in einem Bürgerkrieg enden wird". Als Walesa Präsident war, zählte der aktuelle PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski zu seinen Beratern.
Der aktuelle Präsident Andrzej Duda wurde mit Unterstützung der PiS im Mai gewählt, im Oktober gewann Kaczynskis Partei die Parlamentswahlen. Inzwischen beginne er sich für diese demokratischen Wahlen zu "schämen", sagte Walesa. Das werde er auch "im Ausland sagen".