Auch Cameron akzeptiere keine Diskriminierungen, sagte Tusk in Brüssel. Deswegen "brauchen wir einen Kompromiss. Nicht zwischen Werten, sondern einen pragmatischen", so Tusk. Es wäre auch ein Missverständnis, wenn jemand glaube, Cameron irgendwelche Lösungen aufdrängen zu wollen.

Ebenso optimistisch zeigte sich Cameron selbst. "Nach heute Nacht bin ich zuversichtlich, dass wir Lösungen finden können", erklärte er nach den Beratungen. "Es gibt einen Weg zu einer Einigung im Februar. Es wird viel harte Arbeit brauchen, aber ich habe heute Nacht viel guten Willen gespürt." Es habe "enorme Unterstützung" gegeben dafür, Lösungen zu finden, die Großbritannien in der EU hielten.

Besonders umstritten ist Camerons Ansinnen, dass zugewanderte EU-Bürger vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, um bestimmte Sozialleistungen zu erhalten. Die anderen Staats- und Regierungschefs hätten sich zum Teil zwar besorgt gezeigt, aber sie seien auch bereit gewesen, einen Kompromiss zu finden, teilte Tusk mit.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel schloss eine Änderung der europäischen Verträge nicht aus, mahnte aber ein verantwortungsvolles Handeln an. Allerdings müsste eine solche Entscheidung bereits heute auch vor den Parlamenten gerechtfertigt werden.

Der französische Staatspräsident Francois Hollande lehnte Vertragsänderungen ab. Hollande sprach sich für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus. Es könne ein Basis-Europa geben, aber auch eines, das weiter gehe. Nicht möglich sei hingegen, eine "Union a la carte", in der sich jeder nur diejenigen Regeln aussuche, die ihm passten, so der französische Präsident nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel.

Der aus Polen stammende Tusk zeigte sich allerdings unnachgiebig bei EU-Grundsätzen wie der Nicht-Diskrimierung: "Wir sind absolut überzeugt, dass wir hart bleiben müssen, wenn es darum geht, rote Linien und fundamentale Werte zu verteidigen." Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnen Einschränkungen bei der Freizügigkeit innerhalb der EU grundsätzlich ab. Hunderttausende Polen leben und arbeiten in Großbritannien.

Die EU lässt sich auf Reformverhandlungen ein, um einen Verbleib Großbritanniens in der EU zu ermöglichen. Cameron will seine Landsleute bis Ende 2017 in einem Referendum befragen. Spekuliert wird über einen Termin Mitte 2016. Beim nächsten EU-Gipfel im Februar wollen die Staats- und Regierungschefs über alle Forderungen Camerons verhandeln und zu einer Vereinbarung kommen.