Einen Tag nach landesweiten Protesten von Regierungsgegnern haben am Sonntag Zehntausende Anhänger der Regierungspartei PiS in Warschau demonstriert. "Ganz Polen lacht über euch, ihr Kommunisten und Diebe", verhöhnte der nationalkonservative PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski in einer Rede vor dem Verfassungsgericht seine Gegner.
Diese waren am Samstag wegen der von ihnen befürchteten Gefährdung der Demokratie durch die zu mächtig gewordene PiS auf die Straße gegangen. Nach ihren Siegen bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2015 wolle die PiS nun in einer Art Putsch auch die Justiz übernehmen.
Kaczynski sagte dazu in pathetischem Tonfall in einer Rede: Erst seit dem jüngsten Machtwechsel in Präsidentenamt, Parlament und Regierung sei das wahre Polen an der Macht. Davor habe eine Machtelite geherrscht, der es nur um ihre eigenen Interessen, nicht um das Wohl des Volkes gegangen sei, konterte Kaczynski Slogans seiner Gegner. Diese hatten gerufen: "Wir sind Polen!"
Für Aufsehen sorgte ein Priester vor dem Redaktionsgebäude der "Gazeta Wyborcza" Umringt von Mitgliedern nationalkonservativer Gruppen aus dem Umfeld der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sprach der Kirchenmann am Sonntag ein Exorzismusgebet vor dem Verlagshaus des Blattes in Warschau.
Die Aktion war der Abschluss eines Protestmarsches gegen die "Lügen der Medien". Die Teilnehmer zogen hinter einer Ikone der Jungfrau Maria und einem Transparent mit der Aufschrift "Kreuzzug für das Vaterland" vor das Verlagshaus. Dort regnete es aus den Redaktionsräumen des linken Zeitungs-Flaggschiffs Flugblätter mit Karikaturen zum Thema Meinungsfreiheit auf sie herab.
Auf dem Gebäude wehte eine Fahne mit der Aufschrift "Verfassung ohne Zensur" in Anspielung auf eine schwelende juristische Auseinandersetzung zwischen der PiS und dem Verfassungsgericht. In Warschau und anderen polnischen Städten hatten deshalb am Wochenende zehntausende Menschen gegen eine "Schleifung der Demokratie" durch die neue konservative Regierung demonstriert.
Die "Gazeta Wyborcza" unter Chefredakteur Adam Michnik gilt als wichtigstes Organ der Meinungsbildung in Polen. Das linksliberale Blatt erschien erstmals 1989, nachdem sich die Gewerkschaft Solidarnosc vor den ersten freien Parlamentswahlen im Juni nach der Ära des Kommunismus in Polen das Recht zur Herausgabe einer Zeitung ertrotzt hatte.
In dem erbittert geführten Konflikt geht es um die Weigerung des von der PiS nominierten Präsidenten Andrzej Duda, trotz einer gültigen Gerichtsentscheidung drei neue Verfassungsrichter zu ernennen, die noch von der früheren liberalkonservativen Parlamentsmehrheit gewählt worden waren.
Duda ernannte stattdessen, ohne auf das Urteil zu warten, neue Verfassungsrichter, die von der jetzigen PiS-Mehrheit im Parlament ausgewählt wurden. Kaczynski verteidigte diesen Schritt am Sonntag: Das Verfassungsgericht und das gesamte Justizsystem müssten umgebaut werden, um endlich konsequent zu arbeiten und mit beschämenden Fehlern der Vergangenheit aufzuräumen.