Russland hat heute nach US-Angaben eine "bedeutende Zahl" von Luftangriffen gegen die IS-Hochburg Raqqa in Syrien geflogen. Dabei seien möglicherweise von Schiffen abgefeuerte Marschflugkörper sowie Langstreckenbomber eingesetzt worden, teilte ein Pentagon-Mitarbeiter in Washington mit. Die USA seien im Voraus über die russischen Angriffe informiert worden.

Kurz zuvor hatte der russische Geheimdienst FSB bestätigt, dass auf das vor zweieinhalb Wochen in Ägypten abgestürzte russische Passagierflugzeug ein Anschlag verübt wurde. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte daraufhin zur Jagd auf die Täter und Hintermänner aufgerufen sowie eine Ausweitung der Luftangriffe in Syrien angekündigt. Ob sich diese gezielt gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) richten, ließ er offen.

Bei dem Absturz der russischen Verkehrsmaschine waren alle 224 Insassen ums Leben gekommen. Im Westen wurde bereits vermutet, dass an Bord der Maschine eine Bombe explodierte. Ein Ableger der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS), der auf der Halbinsel Sinai aktiv ist, hatte erklärt, er habe als Vergeltung für die russischen Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien einen Anschlag auf die Maschine verübt.

Es handle sich eindeutig um einen Terrorakt, sagte nun FSB-Chef Alexander Bortnikow bei einer Sitzung mit Präsident Wladimir Putin in Moskau. Putin drohte den Tätern mit Vergeltung. "Wir werden sie überall auf diesem Planeten finden, und wir werden sie bestrafen", betonte er.

Kairo fordert Beweise

Dagegen hieß es bei der von Ägypten geführte Untersuchungskommission, es gebe bisher keine Beweise für eine Bombe an Bord. "Bislang hat das Komitee noch keinen Beweis gefunden, der die Theorie bestätigt, dass das Flugzeug wegen eines Terroranschlags explodierte", sagte eine Quelle aus dem Luftfahrtministerium einer Presse-Agentur am Dienstag. Russische Ermittler hätten zwar Sandproben am Absturzort genommen und die Leichen geborgen, aber Kairo nicht über ihre Rückschlüsse informiert, beschwerte sich der Beamte. "Wir warten auf Klärung der russischen Behörden und eine Prüfung der Beweise, die sie gefunden haben."

Spuren von Sprengstoff

Bortnikow zufolge wurden an den Trümmern und an Gepäckstücken des Airbus A321 Spuren von Sprengstoff ausländischer Produktion festgestellt. Das Flugzeug voller Urlauber auf dem Weg vom Badeort Sharm el-Sheikh nach St. Petersburg sei in der Luft zerbrochen. Dies erkläre die breite Streuung der Trümmer der Maschine des russischen Unternehmens Kolavia auf der Sinai-Halbinsel.

Die Regierungen der USA und Großbritanniens waren bereits kurz nach dem Absturz von einer Bombe an Bord ausgegangen. Russland fliegt als enger Verbündeter von Syriens Präsident Bashar al-Assad seit Ende September Luftangriffe auf IS-Stellungen - und nach Einschätzung westlicher Länder auch auf gemäßigte Rebellen.

Ungewöhnliches Geräusch

Ägypten hat sich zu den Ermittlungen nach dem Absturz am 31. Oktober bisher bedeckt gehalten. Der Chef des internationalen Ermittlerteams hatte aber von einem ungewöhnlichen Geräusch berichtet, dass "in der letzten aufgenommenen Sekunde des Flugschreibers gehört" worden sei. Eine Bombe sei nicht ausgeschlossen. An den Ermittlungen sind 58 Experten aus Ägypten, Russland, Deutschland, Frankreich und Irland beteiligt.