Das Europaparlament will EU-weit einheitliche Regeln für die Europawahlen aufstellen. "Wir hoffen, dass das neue Wahlrecht im Rat vor den nächsten EU-Parlamentswahlen 2019 verabschiedet werden kann", sagte die zuständige Chefverhandlerin Danuta Hübner am Donnerstag in Brüssel.
Am Mittwochabend wurde dazu in Brüssel ein Gesetzesentwurf verabschiedet, dieser sieht unter anderem EU-weite Spitzenkandidaten und Sperrklauseln für den Einzug von Parteien ins Parlament vor. Zudem soll das Wahlalter für Europawahlen in allen EU-Staaten auf 16 Jahre gesenkt werden.
Kompliziertes System
Aufgrund der vielen nationalen Bestimmung sei es "außerordentlich kompliziert" gewesen, trotzdem sei es gelungen, einen Kompromiss zu finden, sagte die Ko-Berichterstatterin und EVP-Abgeordnete Hübner bei einer Pressekonferenz. "Wir hoffen, dass das neue Wahlrecht im Rat vor den nächsten EU-Parlamentswahlen 2019 verabschiedet werden kann", sagte Hübner. Schließlich sei das EU-Parlament das "einzige weltweit, das über nationale Grenzen hinweg wahrgenommen werden darf". "Der Ball ist jetzt schon im Feld der Mitgliedsstaaten", sagte der zweite Ko-Berichterstatter und SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.
Die EU-Staaten haben das letzte Wort, das Europarlament hat aber ein Vetorecht. Wenn sich Parlament und Rat nicht auf eine Position einigen können, bleibt alles beim Alten - und jedes Land setzt auch in Zukunft seine eigenen Regeln für die Europawahl fest.
Bereits bei der EU-Wahl 2014 waren europäische Spitzenkandidaten angetreten, dies soll nun auch rechtlich verankert werden. So sollen die Spitzenkandidaten der Parteien künftig auch deren Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten sein. Das wurde mit der Ernennung des Spitzenkandidaten der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Jean-Claude Juncker, an die Spitze der Kommission bereits durchgesetzt.
Nominierungsfrist von zwölf Wochen
Außerdem hat sich das Parlament für eine Frist von zwölf Wochen vor der Wahl ausgesprochen, die für die Aufstellung der Kandidatenlisten gelten soll. Gegen die Stimmen von Europaskeptikern und Vertretern kleiner Fraktionen forderte eine Mehrheit der Abgeordneten auch eine Hürde zwischen drei und fünf Prozent der Stimmen für den Parlamentseinzug der Parteien. Im Vergleich zum bestehenden System müssten dann Spanien und Deutschland Sperrklauseln einführen, in Österreich ist bereits eine Hürde von vier Prozent gültig.
Die Abgeordneten verlangen, dass alle EU-Bürger, die im Ausland leben, an der Europawahl teilnehmen können müssen, und dass die Mitgliedsstaaten deshalb Briefwahl, elektronische Stimmabgabe oder Stimmabgabe via Internet zulassen sollen. Um doppelte Stimmabgaben von EU-Bürgern mit Doppelstaatsbürgerschaft oder ausländischem Wohnsitz auszuschließen, sollten Wahlbehörden der EU-Länder entsprechende Informationen austauschen.
Zustimmung fand das einheitliche Wahlalter. Dieses soll nach Vorstellungen der Abgeordneten an die österreichische Regelung angepasst werden. Österreich ist bisher das einzige EU-Land, in dem bereits mit 16 Jahren gewählt werden kann.
Gleichstellung der Geschlechter
Nach den Vorstellungen der Abgeordneten soll es künftig auch zu einer Gleichstellung der Geschlechter kommen. Im Konkreten wurde jedoch der Vorschlag, dass dafür Reißverschlussverfahren für die Listenerstellung gelten sollen, also dass künftig Frauen und Männer abwechselnd aufgestellt werden sollen, abgelehnt. Im verabschiedeten Text heißt es nun: "Auf der Liste der Bewerber für die Wahl zum Europäischen Parlament ist für die Gleichstellung von Männern und Frauen zu sorgen."
Bereits am 27. Oktober wurde die Debatte zum Thema im Parlament abgehalten. Am Mittwoch wurden dann mit 315 Stimmen bei 234 Gegenstimmen und 55 Enthaltungen die Reformen des EU-Wahlakts von 1976 gefordert. Man war damit "einer entscheidenden Veränderung des europäischen Wahlrechts noch nie so nah", sagte Hübner.
Die Abgeordneten erhoffen sich von der Reform nicht zuletzt, dass das Interesse der Bürger an den Europawahlen wieder steigt. Die Bevölkerung solle "wieder Lust haben hinzugehen zu den Wahlen", sagte Leinen. Man sehe im Rahmen der Flüchtlingskrise, wie "schwach ausgeprägt die europäische Dimension ist. Wir fallen sofort auf reinen Nationalismus zurück, weil eine europäische Lösung nicht greifbar, nicht real erscheint", meinte Leinen.