Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die hohe Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge als "historische Bewährungsprobe" für die Europäische Union bezeichnet. Es müsse eine gemeinsame europäische Antwort darauf gefunden werden, wie Europa auf Herausforderungen wie Krieg und Nachbarschaft reagiert, sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

"Gesamteuropäisch"

Mit "aller Entschiedenheit" wolle sie sich im Kreis der EU-Länder für ein "gesamteuropäisches Vorgehen" zur Bewältigung des hohen Flüchtlingsaufkommens einsetzen. Merkel sprach anlässlich des EU-Gipfels in Brüssel, wo sich am Nachmittag zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen die EU-Staats- und Regierungschefs mit der Flüchtlingskrise befassen. Europa erlebe "so direkt wie nie", dass in der globalisierten Welt Kriege, Konflikte und Perspektivlosigkeit der Menschen in anderen Erdteilen "bis vor unsere Haustür gelangen", sagte Merkel.

Um Fluchtursachen zu bekämpfen, müsse eine Lösung für den Konflikt in Syrien gefunden werden, hob die Kanzlerin hervor. Dazu dienten ihre Reise am Sonntag in die Türkei sowie der am Wochenende beginnende Besuch vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in den kommenden Tagen im Iran, in Saudi-Arabien und in Jordanien.

Auf der Tagesordnung des Treffens in Brüssel stehen die Unterstützung von Transit- und Herkunftsländern und die Zusammenarbeit mit der Türkei. "Wir werden die Flüchtlingsbewegungen nicht ordnen und eindämmen können, ohne mit der Türkei zusammenzuarbeiten", sagte Merkel. Zudem geht es in Brüssel um die stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die schnellere Abschiebung von Flüchtlingen, die nicht asyl- oder schutzberechtigt sind.

Der Deutsche Bundestag berät am Donnerstag zudem das Asyl- und Flüchtlingspaket der Bundesregierung. "Ich werbe um ihre Zustimmung", sagte Merkel, die wegen ihrer Flüchtlingspolitik zuletzt in der eigenen Partei massiv in die Kritik geraten war. "Enthalten ist aus meiner Sicht keine Option, die den Menschen im Lande hilft."

Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, Albanien, das Kosovo und Montenegro als weitere "sichere Herkunftsstaaten" einzustufen, um Asylbewerber von dort schneller abzuweisen. Für bestimmte Flüchtlingsgruppen sind deutliche Verschärfungen vorgesehen, für andere dagegen bessere Integrationsangebote. Hilfsorganisationen und Migrationsforscher kritisieren den restriktiven Kurs scharf.

Die deutsche Kanzlerin verteidigte das Gesetzespaket und betonte, so wichtig die geplanten Änderungen auch seien, zur Lösung der Flüchtlingskrise reichten die Schritte nicht aus. "Dafür braucht es mehr." Es werde weitere Schritte geben müssen, sagte dazu Merkel. Sie wies auf Überlegungen hin, sogenannte Transitzonen direkt an den deutschen Landgrenzen zu errichten. Dieser in der Union diskutierte Vorschlag, eine erste Prüfung der Asylberechtigung bereits direkt an den Grenzen vorzunehmen. Dies stößt bei SPD und Opposition auf Ablehnung.

Auch Seehofer am Wort

Auch Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich heute im bayerischen Landtag zur Flüchtlingskrise zu Wort gemeldet. Er sieht in der Bewältigung der Flüchtlingskrise ausschließlich die Bundesregierung in der Verantwortung. "Niemand anders ist für Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht zuständig als der Bund", sagte der CSU-Chef vor dem Bayerischen Landtag. "Dafür wird Bayern nicht die politische Verantwortung übernehmen. Dafür trägt der die Verantwortung, der die Regeln bestimmt", sagte Seehofer, der Merkel mit eindringlichen Worten zu einer Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland aufgeforderte.

Merkels Rede in Kurzfassung

9.20 Uhr: Merkel: "Werden Fluchtgründe in afrikanischen Staaten bekämpfen." Frontex müsse gestärkt werden, denn man habe feststellen müssen, dass die Kontrolle an den Außengrenzen der EU nicht funktioniere.

9.16 Uhr: "Um die Situation in Syrien zu stabilisieren, brauchen wir natürlich einen Prozess des Dialogs, der auch Russland, auch regionale Akteure, einbezieht. Auch das braucht einen langen Atem, vielleicht einen sehr langen. Atem. Alle bisherigen diplomatischen Bemühungen haben nichts vorangebracht."  Besonders jene Länder müssten massiv unterstützt werden, die den Großteil der Syrien-Flüchtlinge aufnehmen: Die Türkei, Libanon und Jordanien würden höchsten Respekt verdienen, sagt Merkel. Diese Staaten müssten auch finanziell massiv unterstützt werden. Eine Schlüsselrolle habe die Türkei: Ohne die Türkei gehe nichts in der Flüchtlingsfrage, erklärt Merkel. Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Türkei und der europäischen Union. Merkel reise am Sonntag nach Istanbul, um die Türkei über die Ergebnisse zu informieren, die nachmittags getroffen werden.

9.15 Uhr: "Maßnahmen auf nationaler Ebene werden nicht ausreichen. Es braucht ein gesamteuropäisches Vorgehen", sagt Merkel im Hinblick auf die Flüchtlingskrise. Dafür werde sie sich heute Nachmittag in Brüssel einsetzen. 

9.13 Uhr: "Wir stellen in den Aufnahmelagern sachliche Leistungen statt Geld zur Verfügung."

9.10 Uhr: Merkel:  "Nicht nur in Finanzkrisen reagiert unser Land im Miteinander. Wir stehen auch zusammen, wenn es um alles geht - um unsere deutsche und europäische Verfasstheit."

9.00 Uhr: "Europa steht für das Prinzip der Nicht-Diskriminierung", sagt Merkel. "Wir befinden uns in zeiten schwierigster Herausforderungen."

Parallel zur Regierungserklärung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag gab auch  Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am heutigen Donnerstag im bayerischen Landtag eine Regierungserklärung zur Flüchtlingskrise ab. Seine zentrale Forderung ist eine Begrenzung der Zuwanderung. Dazu soll es auch Transitzonen für Flüchtlinge in Grenznähe geben.

Bayern-Kabinett

Das bayerische Kabinett hat zuletzt bereits zentrale Weichen für seine künftige Flüchtlingspolitik gestellt: Zum einen droht das Land dem Bund mit einer Verfassungsklage, sollte sich dieser nicht um eine Begrenzung der Zuwanderung bemühen. Zum anderen hat die Staatsregierung ein eigenes bayerisches Integrationspaket für bleibeberechtigte Flüchtlinge beschlossen. Im kommenden Jahr sollen 3700 neue Stellen in Verwaltung, Justiz, Schulen und bei der Polizei geschaffen werden.